IVF Deutschland: So schnell wächst die Industrie
Die künstliche Befruchtung befindet sich auf dem sicheren Weg, eine Multimillionen-Euro-Industrie zu werden.
Der hässliche Begriff “künstliche Befruchtung” umfasst die
IVF (In-Vitro Fertilisation),
ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion – funktioniert sehr ähnlich, nur das die Spermie direkt in die Eizelle gespritzt wird),
Insemination (was kaum als künstliche Befruchtung zu verstehen ist und in diesem Post können Sie erfahren, warum),
Embryotransfer und bald vielleicht noch ein paar Verfahren mehr (sollte das alte Embryonenschuzgesetz, das aus der jungen Steinzeit der Reproduktionsmedizin stammt, sich je ändern).
In Amerika sind jetzt schon etwa 1,5 Prozent aller Geburten durch irgendeine Art von künstlicher Befruchtung entstanden, Tendenz steigend.
Dieses Jahr hat die Zahl der IVF-Geburten die Fünf-Millionen-Marke erreicht und amerikanische IVF-Industrie wurde in 2014 auf rund sechs Milliarden Dollar geschätzt.
Wenn es dazu kommt, den Kinderwunsch bei Frauen über 35 zu erfüllen, hinkt Deutschland nicht zu sehr hinterher. Hierzulande wird bereits jedes 80. Kind per IVF gezeugt.
Um sich den Kinderwunsch zu erfüllen, nimmt jedes zehnte Paar ärztliche Unterstützung in Anspruch. Ein unerfüllter Kinderwunsch ist keine Kleinigkeit und je nach dem, wie Leute innerlich gestrickt sind, kann es sogar zu einer persönlichen Katastrophe werden.
Ich habe von Wirtschaft und Finanzen wenig Ahnung, aber auch in dieser Meldung, die mich letzte Woche erreicht hat, habe ich ein verlässliches Zeichen gesehen, dass die IVF-Industrie in Deutschland stark wachsen wird.
Der Darmstädter Pharmakonzern Merck stärkt sein Geschäft ausgerechnet mit Medikamenten zur Behandlung von Unfruchtbarkeit, also eine sicherere Prognose für die Branche kann ich mir kaum vorstellen.
Das Unternehmen sicherte sich von einer australischen Firma die weltweiten Marketing- und Vertriebsrechte für deren Produkte, dazu etwa ein Gerät zur vollautomatisierten Vitrifikation, eine Methode zum schnellen Einfrieren von Eizellen.
Des Weiteren plant Merck, sich außerdem mit einem superduper Multiinkubator noch abzusichern. Der ist mit einer Zeitraffer-Kamera ausgestattet, die Bilder von Embryos während ihrer Entwicklung aufzeichnet, um Störeinflüsse auf die Embryos im Frühstadium zu minimieren. Cool, oder?
Ich habe viele Jahre in der Zellforschung gearbeitet und kann nur bestätigen, das jedes Öffnen der Inkubatortür für das Leben der Zellen darin einen Unterschied macht.
Die Zellen in einer Petrischale können stundenlang oder noch länger ruhig bleiben, nur weil jemand die Tür vom Inkubator kurz aufgemacht hat. Der große Unterschied war nur, dass wir in der zellbiologischen Forschung schlauer sind und wissen, das jedes Experiment entsprechend kontrolliert werden muss. Bei der künstlichen Befruchtung dagegen werden Erkenntnisse oft nebenbei gewonnen, und alle Beteiligte nehmen an dem Experiment teil (und bezahlen sogar dafür).
Der Pharmariese Merck beabsichtigt also, weitere Produkte und Dienstleistungen für den Einsatz in Kinderwunschkliniken zu entwickeln. Finanzielle Einzelheiten der Zusammenarbeit wurden nicht genannt. Das ist wahrscheinlich besser so. Mit seinem drittwichtigsten Medikament, dem Hormonpräparat Gonal-F zur Behandlung der Stimulation der Eierstöcke während einer IVF, setzte Merck im vergangenen Jahr 628 Millionen Euro um.
Sechshundertachtundzwanzigmillionen. So eine Zahl muss man sich erstmal vorstellen.
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