Befruchtet! So entsteht ein Mensch
Was genau passiert bei der Befruchtung einer Eizelle?
Vor ein paar Wochen rief mich eine Freundin an. Sie ist Künstlerin und brauchte Hilfe für ein neues Projekt. Sie fragte mich:
“Was geschieht genau, wenn die Eizelle mit der Samenzelle verschmilzt? Gibt es irgendwelche Wellen, die gemessen werden könnten?”
Und ob ich ihr ein paar Studien zuschicken könnte, die dies detailliert beschreiben?
Zuerst fand ich ihre Frage merkwürdig.
Klar – etwas muss in dem Augenblick der Schöpfung geschehen; immerhin entsteht ein neuer Mensch dabei.
Ich nahm an, dass die Wissenschaft alles darüber wissen würde. Bei solch einem wichtigen Ereignis würde man doch erwarten, dass Unmengen Literatur jede Millisekunde davon beschreiben würde, nicht wahr?
Aber wie kann so etwas gemessen werden?
Ich war mir nicht sicher.
Also schrieb ich einem der führenden Ärzte der Reproduktionsmedizin in Deutschland, den ich Anfang diesen Jahres bei einer Konferenz getroffen hatte. Ich war erleichtert, als ich von ihm erfuhr, dass auch er keine sofortige Antwort auf meine Frage geben konnte.
Anschließend durchsuchte ich die medizinischen Datenbanken und war überrascht, nur einige wenige Veröffentlichungen zu finden, die dieses wichtige Thema behandeln.
Der überraschende Fund für mich war diese beeindruckende Studie über den Moment der Befruchtung, die 2015, also gerade erst vor 2 Jahren, im Nature Chemistry veröffentlicht wurde. Hier nun eine kurze Zusammenfassung davon.
Wie entsteht ein Mensch? Befruchtung der Eizelle ist wie ein Feuerwerk
Im Jahr 2015 beschrieben die Forscher der Northwestern Universität, dass in jeder reifen Eizelle ca. eine Million Zink-Atome gespeichert werden (in ungefähr 8.000 kleinen Bläschen, die als winzige Punkte unterhalb der Oberfläche der Zellmembran sichtbar sind).
Sobald eine Samenzelle in die Eizelle eindringt, beginnen diese sogenannte “Hotspots” ungefähr eine Stunde lang Zink-Atome freizusetzen.
Durch die Markierung mit fluoreszierenden Farben sieht der Vorgang der Befruchtung absolut fantastisch aus und erinnert an ein Feuerwerk.
In diesem Artikel können Sie sich ein kurzes Video davon ansehen.
Ist das nicht wunderbar?
Dass in den Stunden vor dem Eisprung in jeder ovulierenden Eizelle zig Milliarden Zink-Atome gespeichert werden?
Die meisten anderen Zellen würden sterben, wenn sie so viel Zink in sich aufnehmen würden.
Doch die Eizellen haben besondere Bedürfnisse: Sie haben einen sehr hohen Verbrauch an Energie. So haben sie z.B. viel mehr Mitochondrien und benötigen viel mehr CoQ10 als alle anderen Zellen, abgesehen von den Herzzellen.
Und dann wird es mysteriös. Nicht nur, dass die Eizellen Zink ansammeln; sondern sobald sie befruchtet sind, setzen sie es in Form eines wundervollen, intensiven, 1 ½ Stunden währenden Feuerwerks wieder frei.
Dieses Ereignis wird in der englischen Fachliteratur “Zink-Funken” (zink spark) genannt. Der Zink-Funken ist vom intrazellulären Kalzium-Stoffwechsel abhängig und tritt mit ihm in Verbindung auf. Da der Kalzium-Stoffwechsel sehr eng mit der embryonalen Entwicklung verbunden ist, haben die Wissenschaftler die Hypothese aufgestellt, dass der Zink-Funken einen frühen Marker des Entwicklungspotentials eines Embryos repräsentiert. Vereinfacht gesagt, je größer das Feuerwerk, desto robuster und gesünder ist der Embryo.
Ist der Zink-Funken ein Orgasmus quasi auf molekularer Ebene? (Dies ist nur meine Hypothese und wird im Unterschied zu den obigen in keinem Labor der Welt getestet).
Oder einfach nur eine Besonderheit von Mutter Natur?
Und warum sammeln Eizellen zuallererst Zink an; einfach nur, um ein Feuerwerk bei der Befruchtung zu haben? Ist das nicht verschwenderisch?
Aber könnte es noch eine andere physiologische Bedeutung des Zink-Feuerwerks geben, die wir einfach noch nicht verstehen?
Könnte die Intensität der Zink-Freisetzung sogar als ein Marker für die Eizellen-Qualität benutzt werden?
Das wäre wunderbar, wenn wir anhand der Zink-Funken, die bei der Aktivierung der Eizelle durch das Spermium ausgelöst werden, in der Zukunft die Gesundheit der daraus entstandenen Embryonen beurteilen könnten. Insbesondere wäre es von Vorteil, nicht-invasiv während der In-Vitro-Fertilisation die Gesundheit einer Eizelle und eines Embryos vor der Einpflanzung bestimmen zu können.
Was wir von anderen Zelltypen wissen ist, dass Zink-Ströme als eine Art “Stoppsignal” eingesetzt werden können. Das würde bedeuten, dass angesammeltes Zink ein Signal für die Eizelle wäre, für einen Moment mit dem Wachstum und der Entwicklung aufzuhören, um dann den Vorgang wieder aufzunehmen, sobald sich das genetische Material der Samenzelle mitbeteiligt.
Und wie können wir einen Nutzen aus diesem Forschungsergebnis ziehen?
Ist die Intensität eines Zink-Funken ein verlässlicher Marker für die Qualität einer Eizelle bzw. eines Embryos, wie die Forscher bereits vorgeschlagen haben?
Wird die Befruchtung der Eizelle wahrscheinlicher, wenn wir in den Tagen vor dem Eisprung zusätzlich zu unserem Essen extra Zink einnehmen (oder wenigstens Nahrung zu uns nehmen, die reich an Zink ist)? Gewiss gibt es noch mehr Dinge, die wir über die Physiologie des Übergangs von der Eizelle zum Embryo herausfinden müssen. Aber zugegebenermaßen ist bereits ein gewaltiger und bedeutender Schritt getan.
P.S.: Meine Freundin lachte, als sie über das Feuerwerk hörte und beschloss, einiges von dieser Idee in ihrer kommenden Ausstellung mit einzubeziehen. Vielen Dank, Irini, für Deine wunderbare und wichtige Frage.
Zink ist nach Eisen das mengenmäßig bedeutendste Spurenelement im menschlichen Körper. Die Bioverfügbarkeit von Zink ist bei tierischen Lebensmitteln höher als bei pflanzlichen. Die Empfehlungen für die tägliche Zink-Zufuhr betragen für Frauen 7 mg und für Männer 10 mg. Lebensmittel mit hohem Zink-Gehalt sind: Kürbiskerne, Haferflocken, Paranüsse, Linsen, Erdnüsse und Naturreis.