Wer lobbyiert für Leihmutterschaft in Deutschland?
Der folgende Text gehört zu der Serie der Recherchen und Artikel, die in den Monaten vor der Corona Krise entstanden sind. Ich habe mit der Veröffentlichung gezögert, weil ich die Ergebnisse meiner Recherchen von einem gewissen Zeitabstand sehen und bewerten wollte. Lesen Sie in Ruhe. Gern würde ich sagen, teilen Sie diesen Artikel mit allen Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Leider geht es um Themen, über die man in der Öffentlichkeit nicht spricht und deshalb: machen Sie den Mund auf, erzählen Sie davon in Ihrem persönlichem Umkreis. Lassen Sie Ihre Freunde und Bekannte wissen, was hinter geschlossenen Türen in Sachen Leihmutterschaft und reproduktiver Rechte der Frau läuft.
Professor Jochen Taupitz schaute den Menschen im vollen Saal der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gerade in die Augen, als er sagte:
“Wir, in der Nationalen Akademie der Wissenschaften, haben bewusst keine Empfehlungen für Leihmutterschaft ausgesprochen. Wir wünschen uns ein neues und zeitgemäßes Fortpflanzungsgesetz. Alle wissenschaftlichen Gemeinschaften in Deutschland haben sich hinter diesen Entwurf gestellt.”
Das Gleiche wiederholte Prof.Taupitz auch im Bundestag und wo auch immer das neue Gesetz letzes Jahr vorgestellt wurde.
Darüber habe ich schon berichtet, mehr Infos finden Sie hier:
Leihmutterschaft bald im Fortpflanzungsmedizingesetz in Deutschland?!
Leihmutterschaft darf nicht ins Embryo-Gesetz! Nicht jetzt und nicht in der Zukunft!!
Im Hintergrund und abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit fordern jedoch seine Kollegen sowie Mitglieder seiner Arbeitsgruppe die Leihmutterschaft mit allen Mitteln. Ganz fleißig mit dabei: Petra Thorn, die Geschäftsführerin vom BKiD Netzwerk.
BKiD: Beratungsnetzwerk für Kinderwunsch und Leihmutterschaft
Petra Thorn war ein prominentes Mitglied des deutschen Ethikrats und nur in ihrem Profil wurde “Leihmutterschaft” als Schwerpunkt erwähnt. Dazu ist Petra Thorn Mitglied der Leopoldina-Arbeitsgruppe von Prof. Taupitz, die für den Entwurf des neuen Fortpflanzungsgesetzes mitverantwortlich war.
Petra Thorn wurde in den Ethikrat seitens der SPD in der letzten Phase der Entstehung des Embryo-Gesetzes hineingebracht (und ist aus dem Ethikrat seit April 2020 schon wieder raus – ungewöhnlich, denn die meisten Mitglieder werden auf 4 oder 8 Jahre eingewählt).
Die weiteren Schwerpunkte ihres Engagements sind Eizell-, Samen- und Embryonenspende.
Das sind sehr komplexe Themen. Um diese Sachverhalte zu verstehen, muss man lange Jahre Medizin, Gynäkologie, Biologie und Reproduktionsmedizin studiert haben. Selbst dann befindet man sich, wie bei jedem neuen Gebiet, auf rutschigem Boden, muss viel lernen und alles hinterfragen. Zu Eizell- und Embryospende z.B. dürfen Kinderwunschärzte nicht einmal ihre Patienten beraten, weil diese Methoden in Deutschland verboten sind.
Welche Qualifikationen hat Petra Thorn?, fragen Sie sich vielleicht jetzt. Sie hat auf einer Fachhochschule in Frankfurt Sozialarbeit studiert. Seitdem arbeitet sie meistens als Familientherapeutin und publiziert im eigenen Verlag. Aus irgendeinem mysteriösen Grund scheinen eben diese Qualifikationen in Sachen Reproduktionsbiologie im deutschen Ethikrat auszureichen.
Welcher Grund könnte es sein?
Warum darf Petra Thorn direkt die Bundesregierung beraten?
Warum Leitlinien zu den Themen schreiben, zu denen sich Kinderwunschärzte in der Öffentlichkeit nicht äußern dürfen?
Was macht Petra Thorn zur mächtigsten Leihmutterschaftslobbyisten in Deutschland?
Petra Thorn im Spiegel-Interview: Ein Kind, drei Mütter
Was hinter “Familienbildung mit Hilfe Dritter” versteckt wird
Seit einigen Jahren ist Petra Thorn die Geschäftsführerin vom BKiD (Beratungsnetzwerk für Kinderwunsch). BKiD ist ein bundesweites Netzwerk von – nach eigenen Angaben – über 170 Personen, die psychosoziale Beratung bei Familiengründungen mit Hilfe Dritter anbieten.
Unter Familiengründung mit Hilfe Dritter versteht man Familiengründungen mit/nach Samen- und Eizellspende; die Leihmutterschaft-Beratung soll zum neuen Geschäftszweig werden.
Die BKiD-“Beraterinnen” sind meistens Sozialpädagoginnen, aber wie Sie der Liste der Beraterinnen entnehmen können, gibt es auch andere Berufe und Branchen, denen ein Quereinstieg in die Reproduktionsmedizin mit schnell erworbenen BKiD Zertifikaten ermöglicht wird.
BKiD bietet eine Weiterbildung für Reproduktionsmediziner, Gynäkologen, Hebammen und viele andere “nach wissenschaftlichem Stand”.
Petra Thorn schreibt Bücher und spricht auf Konferenzen wie z.B. hier Haag 2019: Petra Thorn: Psychosomatic counselling regarding surrogacy in Germany. Vor langer Zeit hat sie einen Verlag gegründet, FamART, der kräftig mithilft, dass das neue Familienmodell in Deutschland etabliert wird. Genetische Abstammung unterdrücken; biologische und nicht-biologische Elternschaft gleichstellen – das ist das höchste Ziel.
Angefangen hat Petra Thorn vor über 20 Jahren mit Beratungen zur Familienbildung mit Spendersamen. Aber nach und nach ging sie über ihre beruflichen und persönlichen Erfahrungen hinaus in Richtung Zellbiologie, Reproduktionsmedizin und noch weiter – bis hin zum Kauf der Kinder – für alle, die sie nicht machen können oder wollen.
Mit ihrem Engagement im Ethikrat lobbyierte Petra Thorn für Leihmutterschaft auf höchster Ebene und installierte diese im Entwurf des Embryo-Gesetzes. Aus Überzeugung? In der Hoffnung, dass ihre BKiD-Beraterinnen aus ihren unsicheren freiberuflichen Existenzen direkt in die Kinderwunsch-Planung einsteigen könnten? Übrigens, nach dem Gesetzesentwurf der Akademie der Wissenschaften Leopoldina, sollte ihre Beratung direkt in den Kinderwunschpraxen stattfinden und die Kosten von den Krankenkassen getragen werden.
Stellungnahme Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung: „…Für den Fall, dass die Leihmutterschaft in Deutschland zugelassen werden sollte, wäre eine entsprechende psychosoziale Aufklärung und
Beratung sicherzustellen…
Bei Kinderwunschbehandlungen unter Beteiligung Dritter (z.B. Samenspender, Eizellspenderin) sowie vor Durchführung einer PID muss das Angebot einer unabhängigen psychosozialen Beratung verpflichtend sein. Die psychosoziale Beratung sollte über die Versichertengemeinschaft finanziert werden….“
Moment mal, Sozialpädagoginnen in den Kinderwunschpraxen?
Aber was halten die BKiD Beraterinnen von den Plänen ihrer Chefin? Was halten sie überhaupt von Leihmutterschaft?
Vielleicht möchten sie keine Beratung leisten in einem Prozess, bei dem die Entstehung der Kinder in einem Verkaufsvertrag geregelt wird? Einige dieser Beraterinnen kenne ich persönlich – keine von ihnen könnte ich mir bei dieser fragwürdigen Tätigkeit vorstellen.
Die Leopoldina im Sumpf der Leihmutterschaft: Je mehr man recherchiert, desto mehr Fragen tauchen auf
Es gibt noch ein weiteres Problem:
Wenn die gleiche Person, die die Geschäfte führt, gleichzeitig auch die Ethik verantwortet und gleichzeitig noch Gesetze dazu schreibt, nennt man das Interessenkonflikt.
Also, wenn Petra Thorn gleichzeitig Geschäfte für ihr Netzwerk fordert, Gesetze mitschreibt, und die Ethik der Leihmutterschaft mitverantwortet, und das Ganze an der Öffentlichkeit vorbei geht, ist das etwas, was jede gebärfähige Frau in Deutschland nervös machen sollte.
Und noch etwas.
Wenn sich eine Akademie der Wissenschaften in einem zivilisierten Land mitten in Europa hinter Interessenkonflikte stellt, ist das sicherlich kein gutes Zeichen. Aber wie ist es zu nennen, wenn die Ergebnisse dieses Konfliktes durch die Hintertür in ein national wichtiges Gesetz einfließen sollten? Ein Gesetz, indem es um nichts weniger Wichtiges geht als die Entstehung der Kinder?
Eine sichere Abkürzung in den moralischen und gesellschaftlichen Verfall?
Zwischenzusammenfassung:
Die Nationale Akademie der Wissenschaften fordert Leihmutterschaft. In der Begründung heißt es, „Reproduktionsfreiheit der Minderheiten“ wäre mit aller Macht gesetzlich zu schützen. Und zwar nicht nur durch das Fortpflanzungsmedizingesetz. Auch das neue Abstammungsrecht des Bundesministeriums für Justiz hat Genetik von Abstammung juristisch schon weit aufgelockert und zum Teil abgekoppelt. Auch weitere Ministerien und zuständige Behörden ziehen an der Verwirklichung vom neuen Familienmodell mit.
Die Legalisierung der Leihmutterschaft ist nur der letzte Schritt, der die Diskriminierung nach sexueller Orientierung beim Verwirklichendes Kinderwunschs abschaffen sollte.
Leihmutterschaft: Kauf von Kindern im Ausland, Adoption folgt in Deutschland
Wenn Sie jetzt denken, in Deutschland gibt es keine Frauen, die sich als Leihmutter zur Verfügung stellen lassen würden, kann ich Ihnen sagen:
Armut in Kombination mit Werbung bewirkt Wunder. Zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass Ethik genau dort aufhört, wo Armut und Existenzängste auftreten.
Deshalb halte ich es für möglich und sogar sehr wahrscheinlich, dass es auch in Deutschland Frauen geben wird, die ihren Bauch verkaufen werden wollen, besonders wenn sie dafür als “gute Engelinnen” gefeiert werden.
Ich befürchte aber vor allem Folgendes: sollte die Leihmutterschaft in Deutschland legalisiert werden, werden die Leihgebärenden so wie bis jetzt vor allem im Ausland rekrutiert. Die Öffentlichkeit in Deutschland wird vom Kauf der Babies wenig mitbekommen (von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen ihrer Mütter auch nicht). Die Kinder werden nach Deutschland „importiert“, so wie bisher, mit den Geburtsurkunden, die noch vor ihrer Zeugung erstellt wurden und auf denen nur die Namen der Wunscheltern stehen, die sie bestellt haben.
Danach werden fröhliche Nachrichten verkünden, etwa in diesem Ton: DANK LEIHMUTTERSCHAFT! Schwuler Moderator ist jetzt Papa
Leihmutterschaftsagenturen werben in Deutschland regelmäßig
Was viele nicht wissen ist, dass man jetzt schon problemlos in Deutschland Kinder bestellen und kaufen kann. Bei den Kinderwunschmessen in Berlin und Köln werben ausländische Agenturen – die Vortragssäle sind voll und man merkt, dass es an interessierter und motivierter Klientel nicht mangelt. Beschrieben in diesem Artikel: Jetzt erzählt eine Leihmutter! Noch dazu: Eizellspende – was lernen wir von anderen Ländern?
Die Leihmütter, die Kinder zur Welt bringen, tauchen in manchen Ländern jetzt schon nicht in den Geburtsurkunden und diversen Urkunden auf. Das garantieren viele Juristen und an dem Prozess beteiligte “Experten” – ihre Dienstleistungen bzw. Geburtskunden ohne die Eintragungen der Mütter kosten viel Geld. Deshalb gibt es viele Anwälte für Familienrecht die sich damit gern beschäftigen würden.
Vielleicht denken Sie jetzt: wenn das alles so schlimm wird, können wir ja die Gesetze immer noch ändern.
Aber dazu sage ich: bitte nicht naiv sein. Die Gesetze sind so wie Lebewesen. Wenn man sie einmal in die Welt setzt und einfach wachsen lässt, weiß man nicht, was die Zukunft bringt (ich z.B. habe meine Heilpraktiker-Prüfung letztes Jahr nach dem Gesetz von 1939 bestanden).
In welche Richtung wird sich die Welt ändern?
Welche politischen Parteien werden an die Macht kommen?
Was werden die zukünftigen Generationen von unserer Idee der Leihmutterschaft halten?
Welche Möglichkeiten eröffnet dieses Gesetz für die reproduktive Ausbeutung von Frauen, so wie sie in der menschlichen Geschichte noch nie möglich war?
In dieser Sache ist es sicherlich das Beste, wir geben den schlimmsten Szenarien gar keine Chance.
Leihmutterschaft – was meine türkische Nachbarin darüber sagt
Vor kurzem habe ich mich mit meiner türkischen Nachbarin Alma* über dieses Thema unterhalten.
Sie war über die Versuche empört, die Kinder von ihren Müttern zu trennen, die primäre menschliche Beziehung von Mutter zum Kind zu relativieren und zu verkaufen. Irgendwann sagte Alma zu mir:
Wir Menschen sind keine Reptilien! Frauen legen keine Eier, die jeder nach Belieben kaufen und brüten kann! Wir sind soziale Wesen, die tiefe und prägende Beziehungen mit unseren Kindern eingehen!
Ja, dem kann ich nur zustimmen. Und trotzdem ist Leihmutterschaft dick im Entwurf von einem Gesetz aufgetragen und wartet auf ihre Legalisierung. Wie konnte es soweit kommen?
Sind wir Frauen daran schuld? Weil wir schweigen? Weil wir uns darauf verlassen, dass andere alles besser wissen und für uns entscheiden sollten?
Machen Sie bitte klar, dass Sie nicht in einer Gesellschaft leben möchten, in der durch die Hintertüre Gesetze verankert werden können, die sich gegen Ihre reproduktiven Rechte richten.