Vitamine hochdosiert: TCM, Kräutermischungen, nicht alles zusammen einnehmen!

Heute saß bei mir in der Sprechstunde wieder eine junge Frau, die hochkonzentrierte chinesische Kräutermischungen einnimmt. Heutzutage ist das nichts Ungewöhnliches – in ihrem Wunsch, so schnell wie möglich schwanger zu werden, zögern Frauen nicht, all das zu nehmen, wovon sie gehört haben, dass es jemals jemandem geholfen hat.

Von all dem nehmen sie gern auch einmal viel davon.

Radmila bereitet sich auf eine Kinderwunschbehandlung vor. Sie hat schon angefangen, die Medikamente für die sogenannte „Downregulierung“ zu spritzen. In ein paar Tagen werden noch FSH-Spritzen sowie ein paar weitere Medikamente dazu kommen. Außerdem nimmt sie monatelang Vitamine hochdosiert, die die Regeneration ihrer Stammzellen bzw. die Reifung und Differenzierung ihrer Eizellen unterstützen. Diese beide Sachen – Hormonspritzen und individuell angepasste, ausgewählte Vitalstoffe sind gut und wichtig und solten ermöglichen, dass Radmila mit etwas Glück trotz ihrer 40 Jahre bald Mama wird.

Vitamine hochdosiert – welche Substanzen lieber nicht zusammen nehmen

Um Stress abzubauen, geht Radmila seit einigen Wochen zur Akupunktur. Warum nicht? – Akupunktur kann nachweislich die Öffnung des Geburtskanals erleichtern. Ich konnte mich auch selbst davon überzeugen. Aber hilft Akupunktur bei der Implantation? Breit angelegte, gründlich durchgeführte klinische Studien mit geeigneten Kontrollgruppen fehlen noch immer.

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Während der letzten Behandlung stellte Radmilas Akupunktur-Ärztin für sie eine Teemischung mit folgender Rezeptur zusammen:

Angelika sinensis Radix, Paeoniae Alba Radix, Atractyl Macro Radix, Cyperi Thizoma, Cuscutae Semen, Poria, und noch ein paar weiteren Kräuter.

Nachdem Radmila heute Morgen ihren ersten Tee trank, bekamen ihre Wangen innerhalb von 20 Minuten sehr warme, rote Flecken. Bald breiteten sich die Flecken über ihren ganzen Bauch aus und der ganze Körper fühlte sich heiß an.

Die ganze unangenehme Episode beruhigte sich nach ein paar Stunden und der Körper kühlte wieder ab, nachdem Radmila auf die Idee kam, sich von ihrer Nachbarin Antihistaminika zu leihen, mit denen sie als junge Frau ihre Allergien behandelt hatte.

Nicht alle Vitamine auf einmal zusammennehmen

Ladies, ich weiß, Sie wollen so schnell wie möglich schwanger werden, aber machen Sie aus Ihrem Körper bitte kein Labor! Und schon gar nicht in der Zeit, in der Sie parallel zu Teemischungen noch IVF-Medikamente spritzen!

Kräuter sind gut, Kräuter sind wunderbar, aber Kräuter sind WIRKSAM, und wir wissen oft nicht, welche Wirkung Pflanzen erzielen!

Absolut niemand kann Ihnen sagen, welche Wirkung konzentrierte Tees in Kombination mit Hormonen haben und mit welchen Langzeit-Erkrankungsrisiken Sie deshalb rechnen müssen.

Ich persönlich bin ein großer Fan der Naturheilkunde. Ich halte oft Vorträge für Naturheilpraktiker und naturheilkundliche Ärzte. Eines kann ich Ihnen sagen: uralte, traditionelle Präparate, Tinkturen und Teemischungen können meiner Meinung nach keine Probleme lösen, die in der Menschheitsgeschichte ganz neu und quasi erst gestern entstanden sind. Es ist nämlich ein ganz neues Phänomen, dass Frauen mit 40 und älter heutzutage immer öfters versuchen, zum ersten Mal überhaupt schwanger zu werden.

Darauf hat die traditionelle Medizin keine besonders guten Antworten (und auch die moderne Medizin tappt viel mehr im Dunklen, als sie das zugeben möchte).

Welche Vitamine sollte man NICHT zusammen mit pflanzlichen Präparaten und Hormonen einnehmen?

Das berühmte, wunderbare Rezept von Dong Quai aus Radmilas Rezeptur hilft Frauen mit irregulären Zyklen seit Tausenden von Jahren dabei, ihre Hormone auszugleichen. Die Mischung ist berühmt, traditionell und funktioniert. Aber es ist nicht das, was Sie in der Kinderwunschzeit brauchen (und schon gar nicht in der Vorbereitung auf eine IVF oder ICSI).

Traditionelle Präparate beziehen sich auf traditionelle Probleme! Unregelmäßige Zyklen, ausbleibende Menstruation, Schmerzen durch Zysten usw. waren seit Jahrtausenden die häufigsten Probleme bei Frauen, die schwanger werden wollten und NICHT, wie man mit 40 oder älter zum ersten Mal Mutter wird.

In der gesamten Menschheitsgeschichte haben Frauen ihr erstes Kind im Durchschnitt in einem Alter von 17 bis 20 Jahren bekommen. Daher sind traditionelle Rezepturen und Teemischungen an eine andere Problematik angepasst.

Deshalb sah auch Radmila die Wirkung ihrer Tinktur auf der Ebene der Durchblutung und des Blutkreislaufs. Aber bei den Frauen, die sich auf Kinderwunschbehandlungen vorbereiten, liegt das Problem meist ganz woanders. Häufig haben sie gar keine Krankheit, sondern leiden an den Konsequenzen der biologischen Alterung, das heißt des Fehlens und der schlechten Qualität von Eizellen. Außerdem können durch Kräutermischungen noch weitere Nebenwirkungen entstehen, über die die Wissenschaft noch nichts weißt.

Also Ladies,  gehen Sie ruhig zur Akupunktur – es ist eine wundervolle und nützliche Sache, die auf jeden Fall bei der Entspannung hilft. Aber überlegen Sie genau, ob Sie Tinkturen und Teemischungen einnehmen wollen. Wahrscheinlich kann man die Probleme der neuen Zeit nur sehr begrenzt mit Medikamenten klären, die einer Zeit entstammen, als es solche Fragestellungen noch nicht einmal gab.

Referenzen:

• Zhang, Y., Mao, X., Su, J., Geng, Y., Guo, R., Tang, S., Li, J., Xiao, X., Xu, H., & Yang, H. (2017). A network pharmacology-based strategy deciphers the underlying molecular mechanisms of Qixuehe Capsule in the treatment of menstrual disorders. Chinese medicine, 12, 23.
• Zhou, K., Zhang, J., Xu, L., Wu, T., & Lim, C. E. (2016). Chinese herbal medicine for subfertile women with polycystic ovarian syndrome. The Cochrane database of systematic reviews, 10(10), CD007535.
• Wu YC, Hsieh CL. Pharmacological effects of Radix Angelica Sinensis (Danggui) on cerebral infarction. Chin Med. 2011;6:32. Published 2011 Aug 25.