Warum Leihmutterschaft NICHT zur Kinderwunsch-Medizin gehört
Warnung: der Text enthält einige beunruhigende Aussagen.
Corona hat in letzter Zeit schon unzählige Veranstaltungen in die Knie gezwungen, nicht aber die Kinderwunsch Tage. Vor einigen Wochen hat diese ungewöhnliche Veranstaltung stattgefunden. Für Sie, meine lieben Leserinnen, war ich in Köln vor Ort.
Es ist eine surreale Szene: mindestens ein Drittel der Messe-Besucher sind junge Männer, die auf mich wie Kopien eines einzigen, gleichen Typus Mann aussehen: gepflegt, nett, blass, fast geschlechtsneutral.
Ihre (meist schwarzen) Masken haben sie heute besonders sorgfältig über Mund und Nase gezogen – bei dieser Art der Veranstaltung werden Fragen gestellt und Wünsche geäußert, bei denen man rot werden kann und sein Gesicht lieber nicht zeigen möchte.
Das Bedürfnis, eigene Gene weiterzugeben, ist der stärkste Instinkt überhaupt. Jeder, der im Biologieunterricht aufgepasst hat, weiß, dass alle Lebewesen auf das Überleben und die Reproduktion kalibriert sind. Leider bleiben in heutiger Zeit immer mehr Männer unter sich.
Auf eigene Kinder wollen sie aber nicht verzichten. Und weil sie auf Frauen keine Lust haben, suchen sie nach Möglichkeiten, Kinder einfach zu kaufen. Moralische Probleme haben die Besucher keine, denn von allen Seiten wird ihnen suggeriert: ihr habt ein Recht, eure Familien nach euren Wünschen zu gestalten.
Deshalb stehen sie heute schlangenweise da, um sich bei Leihmutterschaftsagenturen zu erkundigen, wo man am besten, am diskretesten und – nicht zuletzt – am billigsten, Kinder bestellen und kaufen kann.
In welchem Land?
Für wieviel Geld?
Gibt es Agenturen, die sogar Zwillinge garantieren?
Wie bekommt man eine Leihmutter?
In dem Vortrag der FRESKO Leihmutterschafts-Klinik aus der Ukraine sowie vom Surrogacy Law Center aus den USA wird dem Publikum erklärt, dass der Weg zur Wunschfamilie weder lang noch kompliziert ist.
Der Mann sucht sich erstmal passende Eizellen.
Die Agenturen bringen ihm bei, nach welchen Merkmalen er bei den Eizell-Spenderinnen im Katalog Ausschau halten sollte – es sind übrigens genau die gleichen Kriterien, die auch heterosexuelle Männer anwenden: jung, intelligent, talentiert, empathisch, schön.
Die ausgesuchten Eizellen werden anschließend in einem IVF-Labor mit seinem Sperma vermischt. Oder – präziser gesagt, meist wird die sogenannte ICSI-Prozedur durchgeführt, bei der einzelne Spermien gespritzt werden und die Eizelle gar keine Auswahl treffen kann.
Wie Kinder im Labor wirklich entstehen
Nach Wunsch können die Eizellen mit den Spermien zweier Männer übergossen werden – ein Traum-Szenario, wodurch die “Familien” am schnellsten „komplettiert werden“.
Nach ein paar weiteren Schritten im Labor, bei denen das Geschlecht selektiert und eine möglichst perfekte Gesundheit abgesichert wird, sind die teuren Embryonen entstanden.
Aber in welcher Gebärmutter können sie zu Babys wachsen? Wer bringt sie zur Welt?
Deshalb sucht man spätestens jetzt eine Leihmutter.
In der Ukraine, in den USA, egal – Hauptsache schnell und möglichst anonym sollten die Wunschkinder ausgetragen werden.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht: woher kommt diese Obsession nach eigenen Genen, wenn der Gesetzgeber schon längst die Adoption auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht hat?
Erstens, die Adoptivfamilien werden sorgfältig geprüft und die Konkurrenz unter Paaren ist groß.
Zweitens, jeder Mensch ist evolutionsbiologisch so programmiert, seine Gene weitergeben zu wollen – dieses Bedürfnis ist zutiefst in jeder Zelle unseres Körpers verankert und funktioniert völlig unabhängig von unserer Sexualorientierung, von unserem Tun und Denken.
Deshalb steht im Babywunsch–Magazin, das jedem Messe-Besucher am Eingang in die Hand gedrückt wird, Folgendes: „Füllen Sie Ihr Leben mit einem Kind, in dem SIE weiterleben“
Auf einem anderen Flyer steht außerdem: „Kinder brauchen Liebe – nicht die DNA“
Die Embryonen sind also ein teures Gut und vor ihrer Einnistung in einem Frauen-Bauch darf ihnen nichts im Wege stehen.
Wie findet man aber eine Leihmutter?
Mein eigener Artikel aus 2015, noch bevor die Geschäfte mit Leihmutterschaft weltweit explodiert sind:
Oregon Reproductive Medicine: Nützliche Infos für schwule Paare mit Kinderwunsch
In den Vorträgen von Utah Fertility Center sowie später bei San Diego Fertility und ganz besonders beim ORM (Oregon Reproductive Medicine) wurde erklärt, wie man durch den Prozess von „Miet-Mutterschaft“ reibungslos navigiert. Denn unerwartete Schritte wie der Transport von Eizellen aus der Eizellbank in die Klinik, sowie die darauffolgende ICSI Spritze mit Wunsch-Spermien kosten eine Menge Geld.
Craig Reisser vom ORM Fertility Center hat zwei Söhne von Leihmüttern weiß bescheid, wie die Kosten gesenkt werden können.
Beim Gehalt der Leihmutter wohl kaum – diese Frauen arbeiten für die niedrigsten Jahresgehälter ihrer jeweiligen Länder.
Deshalb sollte man weitere Kostenfaktoren suchen und finden – ORM Folien sind voll mit detaillierten Vorschlägen. Wussten Sie z.B., dass man, wenn eine Frau in die Klinik fährt, um sich dort Embryonen wildfremder Menschen einpflanzen zu lassen, sogar an ihren Reisekosten sparen kann?
Außerdem soll die Eizellreserve der Spenderin rechtzeitig untersucht werden, damit man nach einer hormonellen Stimulation möglichst viele Eizellen bekommt und „seine“ Familie in einer einziger IVF-Runde komplettiert. Auf jeden Fall ich wichtig, betont Craig, dass die Leihmutter eine „giving personality“ hat.
Medizinische Kosten sollte man auch nach unten drücken – Ärzte sind “zu teuer”, wird immer wieder gesagt. Danach schalten wir im Video-Vortrag zu einem Anwalt, der das deutsche Embryonenschutzgesetz ESchG als „Monstergesetz“ bezeichnet.
Gute Spermien für die Leihmuttter?
Das Publikum bekommt sogar Lifestyle-Tipps zur Verbesserung der Spermienqualität, damit bei der Herstellung der Embryonen wirklich nichts schiefgeht. Es gibt tatsächlich nichts, was einem zahlenden Kunden peinlich oder amoralisch erscheinen dürfte.
Um sein Gewissen nicht zu beunruhigen, kann der Kontakt zur Leihmutter minimal oder ganz anonym gehalten werden, ganz nach Wunsch der Klienten. Wie man auf zahlreichen Folien lesen könnte, empfiehlt es sich sehr, Gesprächsbedürfnisse rechtzeitig zu kommunizieren und die Erwartungen der Leihmutter zu dämpfen. Klienten sollten jedenfalls eng mit der Agentur zusammenarbeiten, um jedes Missverständnis zu umgehen.
All das wird in einer typisch amerikanischen, fröhlichen und easy-going Art gesagt und bekräftigt durch lebende Beispiele. Junge, männliche Aussteller-Paare haben teilweise ihre Kinder mitgebracht und zur Schau ausgestellt.
Am Eingang der Halle stehen zwei Papas, einer füttert ein ca. 6 Monate altes Mädchen mit Brei. Während das Kind etwa lethargisch in die Gegend guckt, tun die vorbeigehenden Besucherinnen so, als würden sie die Szene nicht bemerken.
Und so lief die Veranstaltung in einer Atmosphäre von Heiterkeit, Fröhlichkeit und ganz viel „NO-Nazis“ Aufkläber.
Noch groß dabei: AWO – einer der größten Kindertagesbetreuungs-Träger in Deutschland. Unermüdlich demonstrierten die AWO-Mitarbeiter, wie willkommen und integriert die neuen Familien in dem Kita-Alltag sind und vor allem, wie viel Mühe in die „Aufklärungsarbeit“ der heteronormativen, reaktiven, cis-Eltern gesteckt wird, damit diese begreifen, wie toll und normal die neue Normalität ist.
Am AWO-Stand wird mir eine Broschüre „Wir sind dabei“ in die Hand gedrückt (auf der Rückseite steht „gefördert vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen“ – also bezahlt von meinem und Ihrem Steuergeld). Darin schreibt Stephanie Gerlach, Regenbogenfamilienbeauftragte bei der Stadt München:
„Expertinnen und Experten aus dem angloamerikanischen Raum attestieren den Kindern von lesbischen und schwulen Eltern eine bemerkenswerte psychische Stärke. So zeigt eine Studie Paterson 1994 (beachten Sie bitte, dass es 1994 Leihmutterschaft noch gar nicht gab), dass die Kinder von lesbischen Müttern zwar höherem sozialen Stress ausgesetzt sind, zu Hause aber offensichtlich so gestärkt werden, dass sie diesem adäquat begegnen und über eine größere allgemeine Zufriedenheit verfügen als die Kinder der Vergleichsgruppe.“
Zum Schluss lese ich noch in einem weiteren Büchlein vom AWO-Stand „Trans und Schule: Infobroschüre für die Begleitung von Trans-Jugendlichen im Kontext Schule in Nordrhein-Westfalen“.
Darin steckt eine detaillierte Anleitung, wie der Schulalltag nach einem Coming-Out gelingt und wie intergeschlechtliche Schüler in ihrer Identität bestärkt werden sollten:
„Es ist eine Frage des Respekts, Transpersonen wie alle anderen Menschen auch so anzusprechen, wie sie es möchten. Neben den bekannten Pronomen „sie“ und „er“ bereiten insbesondere unbekannte Pronomen wie beispielsweise „xier“ oder „nin“ oder dem Wunsch nach gar keinem Pronomen einigen Menschen Schwierigkeiten. Doch die Verwendung dieser Pronomen zu lernen geht meist relativ schnell. Hier helfen kleine Übungen wie beim Erlernen von Sprachen. Sollte es doch passieren, dass eine Person falsch angesprochen wird, hilft nur eins: entschuldigen und weiter üben.“
Alles klar, liebe Leserinnen??
Gabriele Kuby ist Soziologin, Buchautorin und internationale Vortragsrednerin. Ihr Buch „Die globale sexuelle Revolution – Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit“ wurde in vierzehn Sprachen übersetzt. In dem sehr interessanten Interview HIER sagt sie:
„Frauen und Mütter, macht die Männer stark, damit sie gute Ehemänner und gute Väter sein können.“
Ist “Kinder-für-Alle” wirklich eine gute Idee?
Zurück zu den Leihmutterschaftsagenturen.
Noch erinnere ich mich gut an die Zeiten, als Leihmutterschafts-Agenturen im Umgang mit deutschem Publikum und der deutschen Reproduktionsmedizin höflich waren.
In 2018 in Berlin machten diese nach meiner Einschätzung bei den Kinderwunsch-Tagen kaum 10% aller Aussteller aus. Inzwischen ist die Branche explodiert und über 80% der Stände – bei einer an sich sehr sinnvollen und wichtigen Veranstaltung – bieten Kinderbestelllungen an.
Noch vor drei Jahren standen bei den ersten Kinderwunsch-Tagen in Berlin Leihmutterschaftsagenturen noch seitlich und diskret auf einer Plattform, die „Surrogacy village“ hieß. Dort wurde, wenn auch nur in symbolischem Umfang, sogar die Ethik diskutiert.
Dabei habe ich selbst viel gelernt und viele Gespräche geführt. Ich dachte damals, dass Leihmutterschaft vielleicht in seltenen Ausnahmefällen doch eine akzeptable Lösung für manche Paare sein könnte. Darüber habe ich ausführlich berichtet – für diese Texte haben sich viele hetero-und homosexuelle Paare bei mir bedankt.
Surrogacy: One real-life experience
How to build a family if you are German and homosexual?
Gay parenthood in Germany: Interesting services at Oregon Reproductive Medicine
In der Zwischenzeit sind die Leihmutterschafts-Geschäfte explodiert. Und ich merke: ich habe mich damals getäuscht.
Leihmutterschaft bringt nur Ungerechtigkeit und Schmerz. Der einzig guter Weg, Leihmutterschaft zu regulieren, ist diese aus der Welt zu schaffen.
Zum Schluss lege ich Ihnen noch ein Rezept aus dem Buch „Unsere Reise: Der Ratgeber eines Paares zur Leihmutterschaft in den USA“ vor.
Seite 133, “Der Alltag mit Zwillingen”. Beachten Sie bitte, wie Kinder wie Puppen dargestellt werden, die fast die ganze Zeit nur mit Schlafen verbringen:
„Um 7 Uhr: Babys wecken, wickeln und füttern.
Nach dem Füttern spielen und wach halten bis c.a 8:30 Uhr.
Wenn die Babys müde werden, hinlegen. 10 Uhr, Baby wecken.
Wenn es noch nicht aufgewacht ist, wickeln und füttern. Nach dem Füttern, wach halten bis ca. 11:30 Uhr.
Wenn das Baby müde wird, hinlegen.
13 Uhr, Baby wecken.
Wenn es noch nicht aufgewacht ist, wickeln und füttern.
14:30 Uhr: wenn Babys müde werden, hinlegen.
16 Uhr: Babys wecken, wickeln und füttern. Wenn es müde wird, legen Sie es für ein kleines Nickerchen hin.
Lassen Sie das Baby nicht länger als 20 Minuten schlafen. Nachdem Sie das Baby aufgeweckt haben, kann es ein bisschen mürrisch sein! Da Sie sein Nickerchen gestört haben, ist das zu erwarten.
18 Uhr, beginnen Sie mit dem Abend Ritual.
18: 30 Uhr füttern Sie das Baby.
19 Uhr: legen Sie das Baby hin.“