Darüber, wie ich in Griechenland mein Kind nicht stillen dürfte
Eigentlich bin ich ein ganz großer Fan von Griechenland.
Auf den griechischen Inseln habe ich viele Urlaube verbracht und von jedem kam ich nach Hause mit dem Gefühl, dort noch mindestens zwei Monate bleiben zu wollen.
Im letzten Urlaub waren wir mit unseren zwei kleinen auf Kreta.
Und Kreta heißt Heraklion sehen und Heraklion heißt das Archeologische Museum besuchen, es ist ja eines der schönsten Museen auf der ganzen Welt. Einer der Orte, wo man stumm vor Schönheit wird, auf eine angenehme Art überwältigt, und braucht dann eine Weile in Stille, bevor etwas Alltägliches wieder gesagt werden kann.
Es ist nämlich selten, das Ausgrabungsorte und dazugehörige Exponate so nah aneinander liegen – normalerweise wurden die kostbare Objekte aus ihrer Heimat herausgerissen und nach London, New York und nur manchmal Berlin verschleppt. Aber nicht so in Heraklion – die Ausgrabungsstätte von Knossos liegt nur ein paar Kilometer entfernt und man fühlt im Museum den ganzen Kontext der wunderbaren minoischen Gegenstände.
Ich fand es ganz toll, dass alle Objekte ganz ohne Erklärungen und Schilder ausgestellt wurden. Viele nennen das schlechte Organisation, aber eben durch Abwesenheit von vielen Markierungen entstand für mich ein direkter Kontakt zu dieser verschollenen Welt.
Manchmal fühlte es sich so an, als würde ich die Frauen bei der Arbeit beobachten, die Farben ihrer merkwürdigen Kleider die die Brüste frei ließen direkt vor mir sehen können, ihren Männern zusehen können, wie sie die schweren überdimensionalen Olivenöl Fässer bewegen.
Während wir durch die Museumsräume gingen, hat mein kleiner Sohn mich immer wieder in die Realität geholt in dem er nicht einschlafen wollte.
Es war schon fast Nachmittag, aber er wälzte in seinem Kinderwagen hin und her, zeigte immer deutlicher, dass er auf eine Stillmahlzeit wartet. Irgendwann riss seine Geduld, kein Stofftier konnte seine Aufmerksamkeit ablenken und schon nach wenigen Sekunden drohte die Museumshalle vor seinem Geschrei zusammenzubrechen.
Schnell suchte ich mir einen Ort zum Stillen – der einzige freie Stuhl in der Ecke bot die einzige Möglichkeit, sich überhaupt hinzusetzen. In wenigen Sekunden war mein Kleiner still und zufrieden und ich überlegte, ob ich den Schmuck minoischen Frauen weiter bewundern oder nach oben zu den Fresken übergehen soll.
Und dann dieses männliche Gesicht plötzlich vor mir, voller Ärger, fremd, unangenehme nahe.
Mit entschlossener Körpersprache, zeigte er eilig in Richtung Ausgangstür und fragte dabei ob ich nicht woanders stillen könnte, da Ausstellungshalle dafür wirklich kein Platz ist?
Ich dachte, ich höre nicht richtig.
Vielleicht gab es irgendwo ein Ort im Museum den ich vorgesehen habe, ein Raum für Mütter und Kindern, eine Stillbank sogar?
Der Mann war klar: Konnte ich das Museum nicht kurz verlassen, mein Ticket ist ja den ganzen Tag gültig und wenn ich irgendwo anders und nicht in der Öffentlichkeit fertig gestillt habe, die minoische Kultur weiter bewundern?
Er würde mir sogar helfen, den kürzesten Weg nach außen zu finden?
Ich habe mich nach den anderen beiden Mitgliedern meiner Familie umgeschaut, sie waren aber nicht mehr auf der Etage.
Der Mann Museumswärter stand direkt vor mir, fuchtelte mit beiden Armen und fuhr weiter: könnte ich mich nicht wenigstens bedecken?
Aber was könnte ich noch bedecken? – meine Brüste waren ohnehin blickdicht verpackt, bis auf eine einzige Warze, die in einem kleinen Mund steckte und drohte bald raus zu fallen, weil mein Sohn merkte, ein fremder Mann ist da, und seine Mama ist aufgeregt, und das kann nichts Gutes bedeuten.
Gern würde ich euch sagen, ich hätte meine Tasche zusammengepackt, mein Kind mitgenommen und in Würde das Museum verlassen.
Leider war es so, dass es mir an diesem Sommertag einfach zu viel wurde und ich wurde laut, sehr laut sogar, und schimpfte und sagte die Dinge, auf die ich mich, als ich nach 15 Minuten meinem Mann alles zu erzählten versuchte, nicht mehr genau erinnern konnte.
Ich weiß nur, dass ich dem Brustpolizist unter anderem sagte, erstmal, die Brüste sind genau dafür da, damit kleine Kinder essen können und an so heißen sonnigen Tagen auch trinken können und davon still und zufrieden werden.
Und er sollte sich fragen ob das normal ist, in so einem Museum, das voll mit Exponaten die eben die weibliche Brust feiern, ausgerechnet eine stillende Mutter beschämen zu wollen – nein, noch schlimmer – sie aus dem Gebäude entfernen zu wollen, weil sie in einer Ecke diskret gestillt hatte?
Und das alles in einem Raum voll mit Erwachenen die eben dieselbe Bedürfnisse ganz ungestört befriedigen, an diversen Flaschen saugen und sich danach im Museumscafe noch aufs weitere Essen und sogar Rauchen stürzen? Oder war das die typische Reaktion einer späten Mutter?
Hätte eine deutlich jüngere Mutter deutlich cooler reagiert?
Was ist bloß aus Griechenland geworden? Oder besser gesagt, aus den Griechen?
Was für Erwachsene sollten aus den Kindern werden, deren Mütter sich schämen müssen, ihnen Muttermilch geben zu können?