Kinder kriegen spät
Wann sind Eltern zu alt für ein Kind?
Wahrscheinlich bin ich selber schuld, wenn mich manchmal Emails, wie z.B. diese hier erreichen:
Ich möchte mit einem 41-jährigen Mann ein Kind. Ich selbst bin 57, voll fit, fühle mich gut, habe sehr lange meine Menstruation gehabt. Gibt es Möglichkeiten, dass das Kind auch per Leihmutter ausgetragen werden könnte? Wir sind für vieles bereit. Ich selbst habe schon 3 Kinder geboren – sie sind erwachsen und gesund. Wer könnte uns helfen? Wer könnte uns beraten? Danke.
Nachdem ich diese E-Mail gelesen hatte, dachte ich: dieser Frau möchte ich nicht helfen, selbst wenn ich das könnte! Meiner Ansicht nach sollte sie Hilfe bei einem Psychologen suchen und sich damit beschäftigen, was hinter ihrem späten Kinderwunsch steht.
Vielleicht möchte sie nur verzweifelt ihren 41-jährigen Partner bei sich behalten?
Auf jeden Fall sind es nicht verantwortungsvolle Gefühle dem zukünftigen Kind gegenüber, was sie antreibt.
Und da sie sich schon in der Menopause befindet, kann sie sowieso keine biologische Mutter mehr werden. Was ja gut ist – sie hat schon drei Kinder und kann ihnen beim Aufziehen ihrer Enkelkinder helfen, ganz wie die Natur es vorgesehen hat.
Bis wann ist es also noch nicht zu spät, Kinder zu bekommen, bis wann geht es noch?
Kinder kriegen – früh oder im Rush Hour des Lebens
Hier nun eine Zusammenfassung von dem, was die heutige biomedizinische Forschung versteht (und uns hunderttausende Jahre der menschlichen Evolution bestätigen), wann Frauen mit dem Kinderkriegen beginnen sollten:
1. Vor 30 Kinder kreiegen
Wenn eine Frau der Gattung Homo sapienses ernst mit dem Kinderkriegen meint, sollten sie ihr erstes Baby nicht später als 30 bekommen. Gern kann das früher sein, viel früher sogar. Ich weiß, was Sie jetzt denken – wir leben nicht in einer Gesellschaft, in der das wirklich geht.
Aber wenn wir eine Gesellschaft schaffen würden, in der es als modern, wünschenswert, cool und sogar selbstverständlich sein wird, mehr junge Mütter auf den Straßen zu sehen?
Und nicht nur auf den Straßen – an Arbeitsplätzen, in den Universitäten und im öffentlichen Leben?
Wenn es bei unseren Töchtern ankommen würde, dass ihre Eizellen ein Verfallsdatum haben, ihre Köpfe aber nicht? Und dass sie deshalb früher eine Familie gründen und erst später Karriere machen sollten?
Und dass sie sich gern neuer Methoden wie das Einfrieren von Eizellen in jungen Jahren bedienen sollten, um für sich eine Sicherheitszone zu schaffen, falls es mit der Lebensplanung doch anders geht als gewünscht?
2. Zwischen 30 und 40 muss alles passieren
Deutsche Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes im Durchschnitt 5 Jahre älter als vor nur 30 Jahren.
So kommen wir zu der zweiten Gruppe: Frauen zwischen 30 und 39, von denen heute die meisten Kinder zur Welt gebracht werden.
Frauen in diesem Alter empfinden es selbst als angenehm und richtig, eine Familie zu gründen bzw. zu erweitern. Die meisten von ihnen sind im Leben gut angekommen und auch die sozialen Aspekte des Kinderkriegens passen endlich…Was meiner Meinung nach wichtig ist, wenn man viel Zeit auf Spielplätzen, bei Kinderärzten bzw. auf dem Weg zur Kita und zurück verbringt und Menschen gleichen Alters trifft und sich mit ihnen austauschen kann.
In den letzten Jahren hat es die biomedizinische Forschung geschafft, die Grenze des Kinderkriegens, die ursprünglich bei etwa 40 Jahren lag, für ein paar Jahre hinauszuschieben. Schön.
Also, wenn es vor einigen Jahren noch eine Seltenheit war, dass Frauen zwischen 40 und 45 noch Kinder bekamen, ist es heute zum Normalfall geworden. Auch schön.
Aber wenn Sie mich fragen, dabei kann es auch bleiben.
Warum?
Weil 45 Jahre für immer eine biologische Grenze des Kinderkriegen bei Frauen bleiben wird, egal wie die Kinderwunschmedizin und die Technik sich weiterentwickeln werden.
3. Mütter mit 40 Jahren und älter
Nach 45 Jahren sind die Eizellen nämlich aufgebraucht und da kann die beste Technik nicht mehr helfen.
So kommen wir zurück zu der Frage: Was spricht dagegen, dass Frauen jenseits der Menopause noch Kinder bekommen?
Um diese Frage zu beantworten, sollten wir meiner Ansicht nach auf die Natur schauen und auf das, was in den vergangenen Jahrtausenden das Überleben unserer Spezies gesichert hat.
Wer sich für die Evolutionsbiologie interessiert, wird wahrscheinlich schon wissen, dass die plausibelste Theorie darüber, warum Frauen länger leben als Männer, die ist, dass sie immer benötigt wurden, um das Überleben der Enkelkinder zu sichern und auch um viele andere wichtige Rollen in der Gesellschaft zu übernehmen, was Frauen mit eigenen bedürftigen Kindern nicht möglich ist.
Ich finde, dass sind schöne und wichtige Dinge, auf die die Frauen nicht verzichten sollten; nicht einmal in einer Zeit, in der es zumindest theoretisch möglich ist, mit Hilfe der Reproduktionsmedizin noch ein Baby zu bekommen.
Meine Oma war 43 als ich zur Welt kam. Sie und mein Opa haben mich in meinen ersten Lebensjahren begleitet. Ihnen verdanke ich die meisten Werte, die mich zu dem Menschen machen, der ich bin und die ich an meine eigene Kinder weitergeben möchte. Meine Eltern waren zu dem Zeitpunkt noch sehr jung (22 und 23); sie wollten studieren, arbeiten, die Welt sehen. Deshalb hatten sie mich nur am Wochenende bei sich, was ich im nachhinein betrachtet als ein Glücksfall für mein Leben und meine Entwicklung sehe 🙂
Aber zurück zum Thema.
Selbst wenn Frauen erst spät Kinder bekommen, wollen sie diese heranwachsen sehen und erleben, wie sie zu großen, selbständigen Menschen werden. Dafür muss aber die Zeit reichen, richtig?
Menschliche Kinder brauchen (im Unterschied zu vielen anderen Säugetieren) eine ganze Ewigkeit, um erwachsen zu werden. Als ich vor ein paar Wochen Weihnachtsgeschenke für meine Söhne kaufte, war ich erstaunt, dass die Firma LEGO Bausteine für 16+ verkauft?! Als ich im überfüllten LEGO-Laden am Kudamm nach Luft schnappte dachte ich, wie lang werden unsere Jungs Kinder bleiben?
Also: 18 Jahre intensiver Beschäftigung mit Kindern müssen Sie schon einberechnen. Aber danach wollen Sie vielleicht, dass sie studieren? So etwas ist finanziell richtig teuer und wenn Sie schon in Rente gehen, können Ihre Kinder wahrscheinlich nicht mehr mit Ihnen rechnen (von altersbedingten Krankheiten ganz zu schweigen).
Das heißt, sowohl unsere Biologie als auch unser gesellschaftlicher Rahmen deuten darauf hin, dass Frauen ihre biologischen Grenzen und, ja, – selbst die von der Reproduktionsmedizin hinausgezögerten Grenzen – beim Kinderkriegen nicht überschreiten sollten.