Was kostet eine Leihmutter? Insider-Info vor Ort
Wie der neoliberale Kapitalismus Mütter zu Tanten verwandelt
Am vergangenen Wochenende hat die Kinderwunsch-Messe erneut in Köln stattgefunden.
Als einzige Biologin aus der Branche habe ich die Kinderwunsch-Tage seit ihrer Entstehung begleitet und hier auf Paleo Mama darüber berichtet. Bis jetzt tat ich das mit einem schlechten Gewissen – die Kinderwunsch-Tage fühlten sich nämlich wie eine seltsame Kombination aus Hightech-Klinik, Pornomesse und Esoterik-Laden an. In meinen Gesprächen mit ausländischen Anbietern dachte ich oft, wie schön, dass es solche Angebote in Deutschland nicht gibt.
Dieses Mal fühlte ich mich anders, ganz anders.
Ich sage Ihnen gleich: ich habe zwei schlechte und eine gute Nachricht.
Schlechte Nachricht Nummer 1: Vor Ort waren vierzehn Leihmutterschaft-Anbieter anwesend. In den vergangenen Jahren waren es bisher immer zwei bis drei gewesen. Der Verkauf von Frauenkörper wie es in der menschlichen Geschichte noch nie möglich war, hat begonnen.
Früher haben sich Zeitungen in Deutschland über Leihmutterschaft oft aufgeregt und den Besuchern vor der Messe abgeraten: weil 1) die Leihmutterschaft die Würde der Frau verletzt, weil sie 2) gegen die Menschenrechte verstößt und weil 3) der „Bauch-Verleih“ in Deutschland unvorstellbar war. Jetzt hat sich die Lage geändert. Damit komme ich zur schlechten Nachricht Nummer 2:
Nachdem die Nationale Akademie der Wissenschaften die neuen Vorschläge für die Regelung der Kinderwunschbehandlungen unterbreitet hat – feige, durch die Hintertür, und quasi fünf Minuten vor der Sommerpause (Juni 2019), wissen wir: das Unvorstellbare könnte auch in Deutschland zur Realität werden. (Falls Sie es verpasst haben, lesen Sie hier: LEIHMUTTERSCHAFT soll in die Regeln für Kinderwunschbehandlungen einfließen? Gebärmutter-Verleih im Fortpflanzungsmedizingesetz? )
Der Gesetzgeber versucht aktuell mit aller Macht, medizinische (also echte) und Lifestyle-bedingte Infertilität gleichzustellen. Alles könnte schon bald käuflich werden: Eizellen, Spermien, Embryonen und Kinder. Wir als Gesellschaft sind gerade dabei, die rote Linie des Leihgebärens zu überschreiten.
Nachdem die Ehe-für-alle im Gesetz verankert wurde, sollten auch Kinder-für-alle ermöglicht werden. Und Kinder-für-alle bedeutet ganz konkret: Leihmutterschaft-für-SIE, weil ja jemand die schwere Arbeit schließlich austragen muss.
Und jetzt die gute Nachricht:
Jetzt, wo wir wissen, dass der deutsche Gesetzgeber sich ein Embryo-Gesetz wünscht, das freizügiger wäre als das von der Ukraine, Russland und Aserbaidschan zusammen, braucht sich wirklich keine Kinderwunschpraxis in Deutschland mehr zu scheuen, bei den Kinderwunsch-Tagen in der Zukunft aufzutreten und mit ganz normalen Paaren ins Gespräch zu kommen.
Ganz im Gegenteil – Kinderwunschkliniken aus Deutschland werden in Kommunikation mit betroffenen Paaren heiß vermisst. Der schmerzhafte Eindruck muss entzaubert werden, dass es nur noch um die Familienbildungen “mit Hilfe Dritter” geht und dass für ganz normale Paare mit unerfülltem Kinderwunsch (fast) niemand da wäre, dem sie ihre Sorgen und Familienpläne anvertrauen können.
Wie der neoliberale Kapitalismus Mütter zu Tanten verwandelt
Das International Surrogacy Center hat einen seiner Klienten aus Deutschland engagiert, bei der Messe einen Vortrag zu halten. Auch die Leihmutter ist anwesend.
Oliver Canje ist Ingenieur und erklärt uns, wie pragmatisch und “deutsch” er mit seiner Frau auf die Suche nach einer Leihmutter herangegangen ist. Er gibt wertvolle Tipps, kennt zahlreiche Abkürzungen und weist auf Hindernisse hin. Wenn er über seinen eigenen Weg zur Leihmutter erzählt, klingt es irgendwie stolz, wenn Oliver Canje sagt:
Nicht infrage kamen für mich und meine Frau die Länder wie Georgien, Indien und Thailand.
Das sollte vermutlich bedeuten: meine Frau und ich sind Gutmenschen. Wir achten darauf, dass, bevor wir das Kind kaufen und in die Intimsphäre eines anderen Menschen eingreifen, diese nicht wie Sklaven gehalten werden, sondern ein Gehalt bekommen.
Die Leihmutter Franziska selbst sagt sehr wenig und bleibt bei den bekannten Formulierungen wie z.B.: I like being a surrogate. It’s just a rewarding thing on my own. (Ich bin sehr gern eine Leihmutter. Es ist es mir einfach wert.)
Ich nutze ich die erste Gelegenheit und stelle der Leihmutter Franziska eine Frage (übersetzt aus dem Englischen):
– Wenn Sie ein Baby für ein schwules Paar austragen, wie wird sich das Kind später im Leben fühlen, überhaupt keine Mutter gehabt zu haben? Wie fühlen sich Kinder, die gleich nach der Geburt fortgegeben und verkauft wurden, wie ist ist da Ihre Erfahrung?
– Nun, das erste Kind, das ich für ein schwules Paar ausgetragen habe, ist jetzt 9 Jahre alt und ich weiß, dass sie ihm mit Sicherheit über mich erzählt haben. Ich weiß nicht, was genau sie ihm gesagt haben. Aber der Junge weiß, dass ich geholfen habe und dass ich nicht seine Mutter bin.
Ich weiß nicht, wie sie mich erwähnt haben, hoffentlich als ein Familienmitglied und jemanden, der immer da sein wird. Aber ich kann nicht sagen, was genau ihm mitgeteilt wurde. Ich möchte gern weiter mit ihnen in Kontakt stehen und ich hoffe, dass sie sich dasselbe wünschen.
Oliver Canje übernimmt und korrigiert meine Frage:
– Wir sagen nicht “verkauft”; wir sagen auch nicht “Mutter”. Franziska ist wie eine Tante. Gestern habe ich David gesehen (einen der Männer des schwulen Paares) – er und Franziska haben sich umarmt. Das heißt, es ist schon eine emotionale Bindung da. Es ist natürlich eine emotionale Sache, aber ich kenne keinen Fall, wo es negativ herüberkommt. Vieles hängt davon ab, ob die Paare und die Leihmütter miteinander Kontakt halten wollen oder nicht. Z.B. ich habe zwei Schwägerinnen; auch meine Mutter und meine Frau sind wichtige Frauen in meinem Leben. So ist es auch die Leihmutter – wie eine Tante.
Wir sagen nicht “verkauft”; wir sagen auch nicht “Mutter”. Leihmutter ist wie eine Tante, wurde in Köln erklärt, vor dem vollen Raum der zukünftigen homo und hetero Wunscheltern.
Weitere Tipps von Oliver Canje: Fragen, die man sich bei dem Kauf von Babys stellen sollte (Folie):
- Welche Erwartungen haben SIE an Ihr Verhältnis zu Leihmutter?
- In welchen Abständen möchten SIE mit der Leihmutter in Kontakt sein? Auf welchem Wege (E-Mail, oder Skype?)
- Haben SIE darüber nachgedacht, wie viele Embryos SIE transferieren möchten?
- Wie fänden SIE es, Zwillinge zu bekommen?
- Wie denken SIE über selektive Reduzierung, z.b. bei Zwillingen (in manchen Ländern werden die Leihmutter bis fast zur Geburt dazu vertraglich verpflichtet)
- Würden SIE die Schwangerschaft abbrechen, falls ich beim Fötus genetische oder psychische Defekter herausstellen würden?
Was kostet eine Leihmutter? Aus dem Flyer einer Leihmutterschaftsagentur
Jetzt lesen wir aus dem Flyer einer anwesenden Leihmutterschaftsagentur:
Programme mit ZWEI Leihmüttern
Empfohlen für alle Wunscheltern (Paare Singles oder LGBT) welche schnell eine große Familie mit mindestens zwei Kindern haben möchten. Mit Cashback Bonus von 3% auf das nächste Programm.
Noch interessant ist auch die
BIPARENTAL Sparlösung für 2 Wunschväter
Empfohlen für homosexuelle Wunscheltern, welche ihre Familie mit Kindern vervollständigen möchten. Mit 3 Jahre Aufbewahrung der eingefrorenen Embryos. Eine zusätzliche Eizellspenderin muss gebucht und bezahlt werden (meine Vermutung: auf diese Weise binden sich die Leihmütter vermutlich weniger an die Kinder, weil diese zu 100 % genetisch fremd sind).
Und jetzt frage ich mich:
Warum sind solche Perversitäten in Deutschland erlaubt?
Warum wird Verkauf von Frauenkörper und Babys mitten in Köln angeboten?
Warum schauen die Ärzte weg wenn genau das gleiche in Deutschland legalisiert werden sollte?
Warum schaffen es andere Länder, ihre Embryo-Gesetze zu verbessern und dabei an der roten Linie der Leihmutterschaft nicht zu rütteln, Deutschland aber nicht?
Letztes Jahr hat Spanien – vielleicht die erste Weltmacht der Kinderwunschmedizin – über 30 Wunscheltern mit ihren gekauften Babies die Heimreise aus der Ukraine verweigert (Spanish families stranded in Ukraine in surrogacy limbo).
Bald darauf wurden Leihmutterschaftsagenturen staatsanwältlich durchsucht. Davon hört man in Deutschland nichts, aber hier können Sie den ersten Eindruck gewinnen Spanien: die Leihmutterschaft ist und bleibt verboten.
Ladies, Leihmutterschaft ist die schwerste Verletzung der Frauenrechte und hat absolut nichts mit Medizin zu tun! Weltweit gibt es unzählige Menschen, die Kinder aus medizinischen oder Lifestyle Gründen nicht zeugen können oder möchten, diese aber gern kaufen würden. Auch in vielen anderen Ländern wird z.Z. an den Embryo-Gesetzen gerüttelt (aktuell in Frankreich). Es ist wirklich 5 vor 12 und vielleicht sogar später, dagegen aufzustehen!
MVZ Pan Institut aus Köln – eine gute Adresse für ungewollt kinderlose Paare
Bevor ich in die Welt der Eizellspende eintauche, besuche ich den Vortrag der Kinderwunschklinik MVZ Pan Institut aus Köln. Dort erlebe ich ein Stück Normalität.
Doktor Dolores Foth richtete ihren Vortrag an die ungewollt kinderlosen Paare – also die große Mehrheit von heterosexuellen Paaren in der Bevölkerung, die aus medizinischen und/oder Altersgründen keine Kinder bekommen können.
Sie sprach in ihrem Vortrag über die Möglichkeiten der modernen Kinderwunschmedizin, erzählte freundlich und mit viel Verständnis davon, wie schwierig manchmal für Paare die Entscheidung ist, wem sie sich für eine Kinderwunschbehandlung anvertrauen sollten. Folgende Bewertungskriterien sollten bei der Entscheidung beachtet werden: Die Erfahrung der Kinderwunschärzte, Therapieoptionen, die in der Klinik angeboten werden, die Ausstattung vom Labor (ich persönlich finde die Arbeit der Embryologen absolut essentiell) und erst dann die Schwangerschaftsraten bzw. Patientenzufriedenheitsforen und weitere subjektive Kriterien.
Leihmutterschaft und Eizellspende – Erfahrungen aus anderen Ländern
Über die reproduktiven Optionen für Patientinnen 40 plus redete Dr.Andreas Abraham. Er ist ein erfahrener Gynäkologe auf dem Spezialgebiet Reproduktionsmedizin und betreut regelmäßig Frauen aus Deutschland in der Eugin Klinik in Barcelona.
Nach dem Vortrag frage ich Dr. Abraham:
– In Deutschland wird in letzter Zeit oft argumentiert, dass eine offene Eizellspende erlaubt werden muss – eine Eizellspende, bei der Kinder das Recht bekommen, die Identität ihrer genetischen Mutter zu erfahren. Das wird oft in einem Atemzug erwähnt mit den angeblich unseriösen Angeboten aus dem Ausland und den Kliniken, in denen Frauen aus Deutschland sich einer anonymen Eizellspende unterziehen und damit die zukünftige psychische Gesundheit ihrer Kinder gefährden. Was halten Sie davon?
Dr. Andreas Abraham: In den Ländern, wo keine anonyme Eizellspende erlaubt ist, gibt es auch keine Frauen, die ihre Eizellen spenden wollen! Damit endet die ganze Diskussion. Junge Frauen – wenn sie überhaupt zur Eizellspende überredet werden, machen dies fast ausschließlich anonym. Ist doch nachvollziehbar, oder? In Österreich z.B. wurde das Gesetz 2015 geändert und zwar genauso, wie Deutschland es auch machen sollte: dass Kinder das Recht haben, ab dem 14. Lebensjahr die Eizellspenderin – also ihre genetische Mutter, kennenzulernen, wobei die Spende selbst altruistisch bleibt und die Frau nicht entschädigt wird.
In Spanien haben wir eine andere Lage, und zwar aus drei besonderen Gründen. Erstens, auch bei uns bleibt die Eizellspende für die Spenderin anonym – dadurch fühlen sich die Frauen geschützt. Zweitens, für diese jungen Frauen gibt es eine Aufwandsentschädigung. Sie ist meines Erachtens zu niedrig. Eizellspenderinnen bekommen 1100 €. Dafür gehen sie 10 bis 15 mal in die Klinik, um sich den vielen Untersuchungen und Tests zu unterziehen. Und erst danach folgt die Hormonstimulation und die Eizellentnahme. Das alles ist sehr viel Aufwand. Der dritte Punkt: Spanien hat eine andere Mentalität und weltweit z.B. die größte Zahl der Organspenden – diese objektiven Unterschiede muss man bedenken.
Dem Gesetzgeber in Deutschland würde ich raten, einfach mal genau das zu machen, was die Österreicher in 2015 gemacht haben. Kaum eine Frau wird ihre Eizellen spenden wollen, aber wenigstens wird das Thema damit nicht mehr stigmatisiert.
Noch interesant: Eizellen der Frau sind ein großes Geheimnis. Was genau ist eine Eizellenspende bzw Eizellspende? Lesen Sie hier, warum Frauen wegen dieser speziellen Art der Kinderwunschbehandlung manchmal ins Ausland reisen müssen. Hier besuchte ich eine Klinik in der die erste Eizellspende in Europa durchgeführt wurde:
Meine Woche bei Dexeus (einer der Top-Kinderwunschkliniken Europas)
Eizellspende in Spanien: Schwanger werden im Urlaub
Eizellspende ODER: Wie Urlaub in Spanien, der Ukraine und Tschechien hilft, schwanger zu werden
Blond wie die Mama? Wonach suchen die Paare bei Eizellspenderinnen
Eizellspende, ab wann ist sie sinnvoll? Auswahl der Klinik und andere Fragen
Wird Eizellspende in Deutschland bald legal? Im Gespräch mit Dr.David Peet
Ein paar interessante Zahlen. Weltweit werden jährlich1,5 Millionen IVF Zyklen gemacht (Stand 2019), davon ein Drittel in der EU. Etwa 100.000 künstliche Befruchtungen werden in Spanien und fast 150.000 in Deutschland durchgeführt. Etwa 40 bis 50% aller Eizellspenden finden in Spanien statt.
Der soziodemographische Wandel verändert das reproduktive Verhalten und zwar länderübergreifend. Schwangerschaftsraten bei Frauen in der Frauengruppe 40 plus sind zwar akzeptabel, aber extrem eingeschränkt. Es besteht ein signifikanter Mangel an Information und Bewusstsein hinsichtlich der altersbedingt reduzierten reproduktiven Optionen. Somit ist ein Bedarf an Aufklärung und Information groß, deshalb finde ich gut, was Sie auf PaleoMama machen.