Abschied nehmen vom Kinderwunsch: Im Gespräch mit Franziska Ferber
Wenn ich etwas an meinem Blog liebe, dann sind es Interviews. Denn was gibt es Schöneres als sich mit kompetenten Menschen zu unterhalten, gemeinsam mit ihnen herausfinden, wie man Frauen mit Kinderwunsch noch besser unterstützen kann, oder einfach darüber plaudern, was es neues in der Welt der Reproduktionsmedizin gibt?
Aber beim Thema Abschied habe ich Schwierigkeiten gehabt. Darf ich auf meinem Blog – einem Ort der Heiterkeit und der Hoffnung, überhaupt Platz für ein so schwieriges Thema wie den Abschied einräumen? Wie definiert man den Abschied vom Kinderwunsch; woran erkennt man ihn?
Darüber habe ich mich mit Kinderwunsch-Coach Franziska Ferber unterhalten. Sie werden so wie ich feststellen, daß sie weiß, wovon sie redet.
DW: Du hast einen recht außergewöhnlichen Beruf: Kinderwunsch-Coach. Was kann man sich darunter vorzustellen?
Ja, das stimmt. Ich habe mich als ausgebildeter Coach auf die Unterstützung der Menschen spezialisiert, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Das bedeutet beispielsweise, dass sie mitten in ihrer Sehnsucht nach einem Kind sind oder sich sogar davon verabschieden müssen.
Ich begleite und unterstütze hauptsächlich Frauen dabei, mit diesem Kinderwunsch in ihrem Leben besser umzugehen (Franziskas Praxis finden Sie hier). Denn in dieser Lebensphase ist es für viele schwierig, Monat für Monat wieder nicht schwanger geworden zu sein – während im Umfeld ein Kind nach dem nächsten auf die Welt kommt und die Partnerschaft aber auch Freundschaften sich teilweise stark verändern.
Auch die Erwartungshaltungen der Mitmenschen spielen oftmals eine zentrale Rolle und die Betroffenen kämpfen sehr häufig mit ihrem Wunsch nach einem Kind und den vielen Enttäuschungen, die auf diesem Weg liegen. In Deutschland leben circa sechs Millionen Menschen, die sich ein Kind wünschen und die feststellen, dass sie nicht so leicht schwanger werden oder vielleicht nach ärztlichen Diagnosen erfahren haben, dass sie nie ihr Wunschkind bekommen werden. Je älter die Frauen dabei werden, desto schwieriger wird es für sie, das auszuhalten. Weil einem ja die Zeit davon läuft.
Als Kinderwunsch Coach begleite ich sie und unterstütze sie dabei, leichter mit ihrer Situation aber auch ihrem Umfeld umzugehen.
DW: Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Dir aus?
*Lacht* Das kann man wirklich nicht pauschalieren. Ich stehe früh auf und sitze in der Regel bereits um 6.30 Uhr an meinem Notebook und beantworte E-Mails. Viele meiner Kundinnen begleite ich parallel zu Coachings auch telefonisch bzw. per Skype und Mail und so ist mein Postfach morgens nur sehr selten leer, weil sich gerade in den Abendstunden, wenn sie zur Ruhe kommen,viele Fragen und Gedanken stellen. Mein Ziel ist es, hier schnell Unterstützung zu bieten, damit sich manch negative Gedanken gar nicht erst zu stark manifestieren. Tagsüber und Abends absolviere ich Coachings – in meinem Büro oder via Telefon und Skype, da viele meiner Kundinnen gar nicht in München sondern verteilt „in der Welt“ wohnen. Meine Arbeitszeiten sind also antizyklisch; wenn andere frei haben, arbeite ich meistens – und natürlich auch umgekehrt. Und zwischendurch bin ich mit meinem Hund draußen unterwegs – das ist meine Zeit der Pause.
DW: Wie kamst Du zu diesem Beruf? Woher kamen die Idee und der Ansporn?
Ich bin zu diesem Beruf aus meiner eigenen Lebensgeschichte heraus gekommen. Mein Mann und ich haben uns sehnlich ein Kind gewünscht und jahrelang alles versucht, was wir vertreten konnten und reproduktionsmedizinisch in unserem Land möglich ist. In diesen Jahren der Kinderwunschbehandlungen ging es mir seelisch sehr schlecht und ich bemühte mich, Hilfe zu finden.
Bei meinen Recherchen fand ich niemanden, der das Thema auf eine Art und Weise begleitete, die zu mir passte. Nachdem wir unseren Kinderwunsch verabschieden mussten, habe ich beschlossen, hier ein Angebot zu schaffen.
Ich möchte nicht, dass noch mehr Menschen derart leiden müssen, wie ich es getan habe – nur weil es niemanden gibt, der eine zu ihnen passende ‚Sprache’ spricht, fachlich fundiert ausgebildet ist aber zudem auch aus dem eigenen Erleben heraus weiß, wie sich diese Phase im Leben anfühlt. Als Person bin ich hier sicherlich einzigartig mit meinem Angebot.
DW: Berätst Du nur Frauen? Wer sucht in erster Linie bei Deinen Dir Rat? Oder kommt es oft vor, dass sich ein Paar gemeinsam meldet?
Zu mir kommen Frauen, Männer und Paare in unterschiedlichen Phasen des Kinderwunsches: 1. Diejenigen, die das „Kinder bekommen“ gut durchdenken möchten, bevor sie zu „üben“ beginnen, 2. diejenigen, die schon eine Weile versuchen schwanger zu werden und merken, wie sie die Kinderlosigkeit belastet – sie persönlich und/oder ihre Partnerschaft. Teilweise sind sie auch schon in reproduktionsmedizinischer Behandlung und merken, wie sehr sie das (vermeintliche!) nichts-tun-können belastet. 3. kommen Menschen zu mir, die bspw. von ihren Ärzten gehört haben, dass man ihnen nicht zu einem Kind verhelfen könne und die sich damit anfreunden müssen, dass sie kinderlos bleiben werden – aber damit nicht klar kommen.
Ich unterstütze diese Menschen auf ihrem Weg und begleite sie beim Beantworten ihrer Fragen oder dem Umgang mit ihren Ängsten und Unsicherheiten und der Verzweiflung. Allzu viele meiner Kundinnen und Kunden haben kaum jemanden, mit dem sie offen über ihr Erleben sprechen können. Hier bin ich, nicht zuletzt, weil ich als Gesprächspartner neutral bin, oftmals schon eine gute Unterstützung.
Viele Menschen schaffen es, sich (erst einmal) selbst zu helfen. Gute Selbst-Coaches schaffen es dennoch oft nur zu ca. 70-80% den gesamten Kontext zu sehen. Die restlichen ca. 20-30% aber sind es oft, die für sie etwas in Bewegung bringen und zu einer Veränderung führen. Und hierfür tut ihnen ein erfahrener Coach gut, der es gut mit ihnen meint – aber eben auch Impulse von außen geben kann. Ja, aus meiner Erfahrung wie aber auch aus Studien kann ich sagen, dass es leichter wird mit dem Kinderwunsch und der Kinderlosigkeit umzugehen, wenn man sich psycho-sozial dabei begleiten lässt. Das biete ich an. Und auf Grund meiner Erfahrung bin ich gut darin, glaube ich.
DW: Du sagst immer wieder, dass Kinderlosigkeit oft ein Tabu-Thema ist. Was, denkst Du, sind die Gründe dafür?
Für mich liegt die Ursache in der Vielfältigkeit der Möglichkeiten. Heute leben wir in einer Zeit und in einem Land, in dem aus medizinischer Sicht sehr viel möglich ist. Pro Jahr werden circa 80.000 Kinderwunschbehandlungen in Deutschland durchgeführt. Wenn sich eine Schwangerschaft nicht einstellt, erhält man nach gewissen Grunduntersuchungen beim Gynäkologen doch recht zügig den Rat, sich in eine solche Klinik zu begeben. Wer das Gefühl hat, diesen Weg nicht gehen zu wollen oder nicht alle medizinischen Optionen ausreizen zu wollen, muss sich selbst und ggf. seinem Umfeld eingestehen, dass sie vielleicht genau deshalb nicht das Wunschkind bekommen haben.
In Zeiten, in denen alles geht, ist es für den Einzelnen schwer, seine Werte und Sichtweisen zu bestimmen und diese dann auch durchzuhalten. Wer nicht alle Optionen wählt, muss damit leben, wenn ihm das vorgehalten wird. Um dem einen Riegel vorzuschieben wählen viele lieber den Weg, gar nicht erst über das Thema zu sprechen. Wer Frauen früherer Generationen befragt, erfährt oft, dass der Kinderwunsch früher gar nicht ein solches Tabu-Thema war wie heute. Ich vermute, es liegt daran, dass man früher viel weniger medizinisch erreichen konnte. Wer eine Wahl hat, muss sich – leider – auch oft dafür rechtfertigen, wenn er eine Option als nicht vertretbar ausschlägt. Es ist in gewisser Weise eine Form des Selbstschutzes, nicht darüber zu sprechen, was einen am meisten beschäftigt.
DW: Du hast selbst lange versucht, Dir Euren Kinderwunsch zu erfüllen. Wie lange dauerte der Prozess, bis Du zu dem Punkt kamst, dass Ihr auch ohne Kinder glücklich sein könnt?
Es ist ein langer Weg. Natürlich beschäftigen sie sich viele noch mitten in der aktiven Kinderwunschzeit mit der Frage, was wäre, wenn sie ihr Wunschkind nicht bekommen. Wenn noch Hoffnung besteht, ist das in Teilen eine artifizielle Überlegung. Irgendwann merken sie jedoch, dass sich die Hoffnung schwindet. Bei mir war der letztendliche Auslöser für das langsame Herantasten an ein Leben ohne Kind der viel zu frühe Tod meiner Schwiegermutter und ein Zitat, das ich las: „Erfolg bedeutet, dass man bekommt, was man sich wünscht. Glück bedeutet, das zu schätzen, was man hat.“ Das hat etwas zum Schwingen in mir gebracht und langsam habe ich mich in das ‚neue kinderlose Leben’ vorangetastet. Heute bin ich glücklich, fühle mich zufrieden und dankbar – aber es hat Jahre gedauert, bis ich das aus der Tiefe meines Herzens sagen konnte.
Wer kann einem Halt geben? Wer war Deine größte Stütze in dieser schweren Zeit?
Zuallererst mein Mann und danach meine Familie und die eingeweihten Freunde. Ich habe unglaublich viel emotionale Unterstützung erfahren, als ich mich endlich traute, über die Hoffnung, die Trauer, die Einsamkeit und teilweise auch den ‚guten Neid’ zu sprechen. Auf einmal musste ich nicht mehr schauspielern sondern hatte Rückzugsorte, wo es mir so gehen durfte, wie es mir eben ging. Das war sehr entlastend.
DW: Welche Methoden benutzt du bei deiner Arbeit?
Ich habe beschlossen, das Beste aus all’ dem, was ich in meinem bisherigen Leben gelernt habe, miteinander zu verbinden. So nutze ich klassische Coachingtechniken und reichere diese auch immer wieder um Methoden aus der Unternehmensberatung an. Insgesamt habe ich bestimmt einen sehr eigenen Coaching-Ansatz – aber einen, der den Frauen (vor Allem denjenigen, die wie ich sehr pragmatisch und lösungsorientiert sind) gut tut. Für viele Frauen ist es genau richtig, denn ich spreche mit ihnen in einer ‚Sprache’, die sie kennen und mögen; oftmals eben aus ihrem beruflichen Umfeld. Sie fühlen sich dadurch weniger ‚irre’ und ‚krank’ und wir können so Ressourcen aktivieren, die sie aus unbelasteten Situationen kennen. Und das biete ich natürlich in meinem Büro im Münchner Westen an.
Früher dachte ich, dass die Frauen aus München und dem Umland zu mir kommen würden. Heute mache ich meine Coachings zu ca. 80% via Telefon und Skype.
Und ich habe eine ganze Reihe von begleiteten Kinderwunsch Coaching Kursen entwickelt, wo die Frauen für Unterstützung nicht aus dem Haus gehen müssen sondern sich Zuhause oder auch im Urlaub mit ihren Kinderwunsch-Themen auseinander setzen können. Es sind keine Selbstlernkurse, wo die Frau sich selbst überlassen wird. Nein, ich biete nach jeder der 8 Lektionen einen Austausch mit weiteren Impulsen und Coaching-Input an – so kann ich individuell auf die jeweilige Situation der Kundin eingehen und sie auf ihrem Weg begleiten.
Wenn der Kinderwunsch schon so viel von einem fordert, dann sollen die Unterstützungsangebote leicht verfügbar sein. Sie sollen nicht noch mehr Platz im Terminkalender einnehmen – sondern entlasten, gut tun, hilfreich sein… und zeitlich flexibel. Das bin ich – und meine Kundinnen sind mir dankbar dafür. Es macht mich glücklich, wenn ich merke, dass meine Kundinnen wieder zuversichtlich nach vorne blicken und sich kraftvoller fühlen. Wenn das Strahlen in die Augen zurückkehrt, dann weiß ich, dass aus meinem Leid Hoffnung für die heute betroffenen Frauen erwächst.
Franziska Ferber
Kinderwunsch Coach www.kindersehnsucht.de
Autorin des Buches „Unsere Glückszahl ist die Zwei“
Die ehemalige Unternehmensberaterin hat über Jahre versucht, ein Kind zu bekommen. Alle Bemühungen haben nicht gefruchtet. Heute coacht und begleitet sie im gesamten deutschsprachigen Raum ungewollt kinderlose Menschen dabei, mit ihrem Kinderwunsch psychisch besser umgehen zu können.
Ihr Anliegen ist es, die Hilfe anzubieten, die sich selbst damals wünschte und nicht finden konnte. In ihrem Büro im Landkreis München aber auch per Telefon und Skype begleitet sie Frauen aber auch Paare.
Neben dem Coaching-Angebot und ihrem Buch »Unsere Glückszahl ist die Zwei« bietet sie online auch begleitete Kinderwunsch Coaching Kurse an. Mehr dazu auf www.kindersehnsucht.de
Danke für das wunderbare Interview!
Bis nächste Woche,
Darja