Kinderwunschmesse Berlin – Babys in zwei Raten bestellbar
Die Veranstaltung Kinderwunsch-Tage hat ihren Namen geändert. Nachdem sie immer wieder negative Schlagzeilen in der deutschen Presse bekam, heißt die Messe jetzt “Wish for Baby” und suggeriert dadurch, dass Familien entstehen können, indem man sich die Babys einfach “wünscht”.
Sollten die Kinderwunsch-Tage in der Zukunft noch einmal ihren Namen ändern, wäre “Kinderbasar” sicher noch passender, denn es würde das Ganze noch genauer auf den Punkt bringen, worauf es bei diesem makabren Event ankommt: sich Babys wünschen, Babys kaufen, den Preis für Babys herunter handeln.
Der deutsche Markt ist schwer umkämpft, weil hier ein altes, ehrliches Embryo-Gesetz die Spaltung der Mutterschaft ausdrücklich verbietet (das könnte sich jedoch bald ändern). Deshalb stehen heute in Berlin auf der Messe Leihmutterschaftsagenturen aus aller Welt. Ich bekomme wie immer die Informationen aus erster Hand, denn viele der Aussteller kenne ich schon lang – seit den ersten Kinderwunsch-Tagen, bei denen auch die Berliner Kinderwunschzentren auftauchten, aber schon am ersten Morgen, schockiert von den vielen Leihmutterschaftsagenturen und Eizellspenden-Programmen, die in Deutschland ja verboten sind, flüchteten und nie wieder zurückkamen.
Ein feministischer Verein aus Berlin namens Terre des Femmes hat in den letzten Tagen die Messe “scharf kritisiert” und in den Medien ihren Protest angekündigt. Wie sich herausgestellt hat, bedeutet die Protestaktion, dass die Damen bald ein Onlineseminar halten werden, bei dem sie eine Diskussion zum Thema Leihmutterschaft “anstoßen wollen”.
Es ist nicht neu, dass die Feministinnen in Deutschland das Thema Leihmutterschaft komplett verschlafen haben. Hier auf Paleo Mama habe ich schon darübergeschrieben, wie die bekanntesten Berliner Feministinnen über die Entstehung vom Fortpflanzungsgesetz, das die Leihmutterschaft durch die Hintertür halbwegs legalisieren sollte, monatelang überhaupt nichts wussten.
Wish for a Baby – was zwei Frauenärzte heimlich erzählen
Zurück zur Kinderwunschmesse.
Weil der ukrainische Markt, bis vor kurzem der weltgrößte, wegen dem Krieg zum größten Teil zusammengebrochen ist, versuchen andere Staaten den frei gewordenen Platz zu erkämpfen. Vor Ort in Berlin sind Leihmutterschaftsagenturen aus Kolumbien, Mexiko, Argentinien, Kanada, Ukraine (einige wenige), Griechenland, Zypern und zwei baltischen Staaten. Am dominantesten und am teuersten sind natürlich immer noch die USA.
Ein mexikanischer Geschäftsmann und sein Ehemann, beide sind Gynäkologen, erzählten mir im Vertrauen: „ In der IVF-Industrie haben wir in den letzten 30 Jahren alles versucht – Embryo-Diagnostik, viele Ads ons, immer wieder die neueste Technik… irgendwann wollten die Schwangerschaftsraten einfach nicht mehr steigen, weil man gesunde, frische Eizellen von jungen Frauen braucht! Aber auch das ist nicht alles. Manchmal will der Körper einer Leihmutter selbst die besten Zellen einer anderen Frau nicht annehmen. Deshalb muss man herausfinden, welche Menschen zueinander passen. Darum geht es. Das ist das Schwierigste in diesem Prozess, aber das sagt dir keiner.“
“We have tried everything in this industry…slow freezing, ICSI, PGT-A instead of FISH…But the pregnancy rates remained pretty much the same… Many people think, I’m using an egg donation and a surrogate so it must be easy like a piece of cake. But it’s not like that. It takes a while and sometimes it’s not working. Because we have to match human beings with each other. You have to synchronise the cycles of two women (my comment – egg donor and a surrogate) and very often you’re not using fresh cells (my comment – eggs and sperm are oft delivered frozen). That is the main problem in this equation, but no one tells you that. ” – Mexican surrogacy gynecologist.
Wieviel kostet ein Kind?
Auf dem Plakat einer kanadischen Agentur steht: „Wir garantieren die niedrigsten Preise“.
Aber ob die Preise aus Zypern z.B. wirklich zu überbieten sind?
In einer neuen Leihmutterschafts-“Klinik” aus Nikosia, der Hauptstadt von Zypern, kann man frischgeborene Babys schon für 31.950 € kaufen. Auf dem Flyer steht “für alleinstehende Männer, LGBT-Paare, verheiratet und unverheiratet.” Das ist sogar billiger als in der Ukraine vor dem Krieg. Zypern hat sicher sehr gute Chancen, die großen Teile des Marktes für sich zu gewinnen.
Eine Mitarbeiterin der Klinik drückt mir weitere Broschüren in die Hand und versichert ein letztes Mal, dass ihr Arbeitgeber „zurzeit die besten Möglichkeiten bietet, stressfrei und ganz nach den Wünschen der Kunden, ein individuelles Leistungspaket zusammenzustellen“. Unter anderem bedeutet es, dass sie sich gern auch um die Anwälte kümmern, die eine reibungslose Adoption in Deutschland ermöglichen (die wiederum dem aufgelockerten Adoptions- und Abstammungsgesetz zu verdanken ist). Die erste Rate des Baby-Deals bezahlt man noch bevor die Embryonen überhaupt entstanden sind und die zweite Rate nach einem bestätigten Schwangerschaftstest der Leihmutter.
In der Pause lese ich in den Broschüren der Agenturen, bei denen ich keine Zeit mehr hatte, mich persönlich zu unterhalten und wundere mich über die Werbeaussagen, die in ihrem Zynismus kaum noch zu übertreffen sind und von Jahr zu Jahr immer schlimmer werden.
IVF mit Kinderhandel im Paket
Auf den Flyern und Broschüren wird Kinderhandel ganz einfach mit den klinischen Methoden der Reproduktionsmedizin vermischt. Deshalb sehen die Angebote folgendermaßen aus:
• IVF, ICSI (medizinische Behandlungen für infertile Paare),
• Ei- und Samenspende (das erste ist in Deutschland verboten, das zweite erlaubt, insofern der Spender nicht anonym ist).
• Leihmutterschaft für Single Männer und Frauen, verheiratete und unverheiratete, keine Altersgrenze (in allen zivilisierten Gesellschaften weltweit verboten).
• Embryo Diagnostik 13, 18, 21, XY Chromosomen (die ersten drei sind notwendig für Patienten mit genetischen Krankheiten in der Familie, das letzte ist Geschlechtsselektion, in Deutschland verboten, aber z.B. in Indien und China beliebt).
• PGD, PGS (medizinische Tests, dringend notwendig in Deutschland, im alten Embryo-Gesetz nicht vorhanden, da die Methode relativ neu ist).
• Tandem Eizellspende (in Deutschland verboten). Die Frau bekommt sowohl die eigenen als auch die Embryonen von einer Eizellspenderin eingesetzt, so dass sie bei dem positiven SSW-Test erstmal nicht weiß, mit wessen biologischem Kind sie schwanger ist. Das soll dabei helfen, die psychischen Hindernisse zu überwinden, die manche Patientinnen bei einer Eizellspende haben.
• Embryo-Spende und Embryo-Adoption (eine gute Sache, denn viele Paare haben überzählige Embryonen nach der Behandlung. Vergleichbar mit einer Kindesadoption in frühestem Alter, in Deutschland aus unerklärlichen Gründen schwer realisierbar).
Die schlechte Nachricht: sollte das neue Fortpflanzungsmedizingesetz zustande kommen, könnte all das auch in Deutschland zu Realität werden.
Leihmutterschaft bald im Fortpflanzungsmedizingesetz?!
Wish for a Baby – Wenn die Lüge zur Wahrheit wird
Die Messe ist gut besucht. Das Publikum besteht aus genau zwei Profilen von Menschen. Das erste sind die heterosexuellen Paare mit müden Augen – erschöpfte Kinderwunschpatienten, die nach gescheiterten Behandlungen jetzt auf eine Eizellspende im Ausland hoffen. Das andere sind homosexuelle männliche Paare, im Durchschnitt sehr jung, die wohlhabend und entspannt wirken und augenscheinlich sehr zufrieden sind mit das Angebot.
Affordable motherhood and fatherhood for everyone! – schreit eine Klinik nach der anderen und wir alle bewegen uns von einem Stand zum nächsten.
Wish for a baby – weitere Neuigkeiten und Interessantes von der Messe
Ich fasse noch einige interessante Highlights aus verschiedenen Ländern zusammen, die für deutsche Patienten von Interesse sein könnten.
Niederlande: Serpha Pharmacy (die gleichzeitig Apotheke und Klinik ist) bietet Medikamente an, die günstiger sind als in den meisten Apotheken in Deutschland, die nach Aussagen ihrer MitarbeiterInnen innerhalb von 24 Stunden nach Hause geliefert werden. Hier kommt die Preisliste:
Dänemark. Eine neue Samenbank aus Aarhus hat sich vorgestellt. Sie heißt Born und sagt Folgendes über ihre Spender: „Die Kandidaten durchlaufen ein engmaschiges Screeningverfahren, alle unsere ID-release Spender lassen sich in das deutsche Samenspenderregister eintragen. Außerdem bieten sie das Gene Match an, ein genetischer Testverfahren, das gut für die Frauen ist, die ein erhöhtes Risiko für eine genetische Krankheit haben und dies gern beim Kind ausschließen möchten.“
Über die zwei weiteren skandinavischen Samenbanken habe ich hier geschrieben:
Samenbank ESB stellt sich vor: Warum deutsche Frauen wegen Insemination nach Dänemark reisen
Viele Länder bemühen sich um den DE-Markt
Polen: Vor Ort war die Klinik Bocian. Es ist eine große Klinik-Kette, die inzwischen in zehn Städten vertreten ist und gern mit deutschen Patienten zusammenarbeitet.
Tschechien. Vor Ort war die berühmte und für ihre Erfolge jahrzehntelang bekannte Klinik Pronatal aus Prag, die inzwischen in acht weiteren Städten ihre Filialen hat. Die Klinik Mitarbeiterin erzählte mir über noch vier weitere Pronatal-Kliniken, die in ex-jugoslawischen Ländern in den letzten zwei Jahren dazugekommen sind – zwei in Serbien und zwel in Kroatien, sicher eine gute Nachricht für alle Yugo Frauen.
Türkei. Das Land hat bekanntlich eine herausragende Medizin und eine sehr gute Reproduktionsmedizin, einmal habe ich darüber berichtet. Lesen Sie später hier Zwiebelsuppe bei PCO: Tipps vom Frauenarzt aus der Türkei
Dieses Mal hat sich die ACIBADEN Kinderwunsch-Klinik vorgestellt. ACIBADEN ist eine erfolgreiche Klinik-Kette, die mit 22 Krankenhäusern und 18 Ambulanzen weltweit vertreten ist und jetzt in Istanbul ein großes In-Vitro Fertilisationszentrum aufgebaut hat.
Spanien. Spanische Kliniken sind ja weltweit führend auf dem Gebiet der Reproduktionsbiologie. Nicht nur ihre Behandlungen, sondern auch ihre Forschung ist seit Jahrzehnten allen anderen Ländern immer um ein paar Schritte voraus. Die bekanntesten spanischen Kinderwunschkliniken kommen inzwischen nicht mehr zur Messe – denen ist es vermutlich genau wie den deutschen Kliniken peinlich, neben den Agenturen für Babyverkauf zusammen zu stehen. Man hat das Gefühl, die besten haben aufgegeben, um die deutschen Patienten zu werben bzw. suchen andere Wege dafür.
Es ist bekannt, dass jedes Jahr viele hunderte deutsche Paare wegen einer Eizellspende nach Spanien gehen. Deshalb ist die spannende Frage, welche spanische Klinik schnappt sich das größte Stück der Torte und bekommt die meisten Patienten aus Deutschland?
Kinderwunschmedizin – unreguliert und überreguliert gleichzeitig
Eine interessante Strategie hat das neu gegründete Vida Fertility Institut gewählt. Die leitende Ärztin war jahrelang bei der Messe immer dabei und ist für ihre aggressive Eizellspende-Rhetorik bekannt. Jetzt hat sie ihr eigenes „Fertility Institute“ gegründet. Auf dem Flyer der „Klinik“ liest man Folgendes:
„Sprechstunde online oder vor Ort, dies geschieht zunächst mit Ihrem Kinderwunscharzt und anschließend mit Ihrer Betreuerin….Durchführung von Tests und Zyklusüberwachung bei Ihrem Frauenarzt in Ihrer Stadt“.
In Ihrer Stadt? Aber warten Sie – die Eizellspende in Deutschland ist nicht legal, also die ärztliche Vorbereitung darauf auch nicht? Wundert sich noch jemand?
Nein. In der Welt der Kinderwunsch-Medizin ist im Moment alles möglich.
So erklärt eine Klinik die Eizellspende:
„Eizellspende ist eine Behandlung, die wir als Fruchtbarkeitsmethode betrachten. Sie ist geeignet für Patienten mit geringer Eizellqualität und für Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihres Geschlechts keine Eizellen produzieren (weil sie Männer sind und eine Eizellspende als ersten Schritt zur Leihmutterschaft benötigen).„Egg donation is the alternative that we offer as a fertility method, indicated for patients whose own egg quality is low or for patients who by their very nature do not produce eggs, either because of age or sex…”
Lesetipps:
Blond wie die Mama? Wonach suchen die Paare bei Eizellspenderinnen
Eizellspende ODER: Wie Urlaub in Spanien, der Ukraine und Tschechien hilft, schwanger zu werden
Embryologin erzählt: Wie werden Embryonen operiert?
Kinderwunsch-Tage Köln: Warum Leihmutterschaft NICHT zur Kinderwunsch-Medizin gehört
Wer lobbyiert für Leihmutterschaft in Deutschland?
Eizellspende und künstliche Befruchtung in Russland: eine erfolgreiche Klinik stellt sich vor